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Ursachen und Auslöser der Darmdysbiose – welche Rolle spielt Sauerstoff?

Das Ökosystem unseres Verdauungssystems entscheidet maßgeblich über unsere Darm- und damit allgemeine Gesundheit. Eine entscheidende Rolle spielen die im Verdauungstrakt angesiedelten Mikroorganismen: ihre Zusammensetzung entscheidet über Gleichgewicht bzw. Ungleichgewicht im Darm. In diesem Beitrag beleuchten wir die möglichen Ursachen und Mechanismen einer Dysbiose (Ungleichgewicht) des Darmmikrobioms und die möglichen Folgen für unsere Gesundheit ausführlich.

Dieser Artikel kann ein echter Augenöffner sein – nach der Lektüre wirst du dich noch mehr um dein Mikrobiom kümmern wollen. 😊 Er ist allerdings auch nicht ganz einfach zu lesen, weil das Thema komplex ist und wir alles Wichtige zu dem Thema behandeln wollen. 

Hinweis: Wie immer sind die Informationen in unserem Artikel von uns selbst recherchiert und geschrieben – ohne Beteiligung von ChatGPT und Konsorten. Viel Spaß beim Lesen!

Die wichtigsten Erkenntnisse vorab

  • Ein Merkmal der Darmdysbiose ist das vermehrte Vorkommen solcher Bakterien, die zu den fakultativen Anaerobiern gehören. Sie überleben und wachsen auch in einem sauerstoffreichen Milieu. In günstigen Bedingungen können sie sich zu Krankheitserreger entwickeln.
  • Eine Darmdysbiose wird oft begleitet von einem Verlust der Bakterien Roseburia hominis, Faecalibacterium prausnitzii, der Gattung Butyricicoccus und anderen Bakterien aus der Klasse der Clostridien, welche zur Produktion der kurzkettigen Fettsäure Butyrat maßgeblich beitragen.
  • Die verringerte Produktion von Butyrat erhöht den Sauerstoffgehalt in den Epithelzellen des Dickdarms und im Darmlumen. Dadurch wird die Vermehrung von Proteobakterien, die zu den fakultativen Anaerobiern gehören, im Darm begünstigt – ein Teufelskreis setzt sich in Gang.
  • Ballaststoffe dienen den uns nützlichen Bakterien im Darm als Nahrungsquelle und sind für unsere Darmgesundheit förderlich. Bei einer schweren Darmdysbiose in Kombination mit Leaky Gut allerdings können Ballaststoffe Symptome verschlimmern. Die Einnahme von Ballaststoffen sollte hier erst im Zuge des Darmaufbaus erfolgen.
  • Die Erhöhung der Aktivität sogenannter PPAR-gamma Proteine und die Regulierung des Sauerstoffgehalts im Darm könnten ein Schlüssel zur Umkehrung einer Darmdysbiose sein.

Definition Darmdysbiose

Bevor wir die intestinale Dysbiose (Darmdysbiose) definieren können, bestimmen wir zunächst die Merkmale eines gesunden Darmmikrobioms.

Jeder gesunde Mensch verfügt über ein einzigartiges Darmmikrobiom – ähnlich unserem Fingerabdruck oder der Iris unserer Augen. Eine Verallgemeinerung, was ein gesundes Mikrobiom ausmacht, ist daher nicht ohne weiteres möglich. Wir wissen allerdings zwei Dinge:

  1. Menschen, die sich ballaststoffreich und vollwertig ernähren und einen gesunden Lebensstil pflegen, weisen mehr von bestimmten Bakterienarten auf als von anderen.
  2. Diese Menschen besitzen in der Regel auch eine höhere bakterielle Vielfalt in ihrem Darmmikrobiom als Menschen, die sich weniger ballaststoffreich und vollwertig ernähren.

Die Zusammensetzung und Verbreitung dieser Darmbakterien können somit Anhaltspunkte liefern, was ein gesundes Darmmikrobiom ausmacht. Schauen wir uns dies genauer an!

Bakterielle Sicht auf das Mikrobiom

Die vorherrschenden mikrobiellen Arten im Mikrobiom sind Firmicutes, Bacteroidetes, Actinobacteria, Proteobacteria, Fusobacteria und Verrucomicrobia. Firmicutes und Bacteroidetes machen zusammen etwa 90% dieser bakteriellen Zusammensetzung aus.

Innerhalb der Firmicutes-Gruppe wurden bereits über 200 verschiedene Gattungen identifiziert. Wichtige Vertreter sind Lactobacillus, Bacillus, Clostridium, Enterococcus und Ruminococcus. Die Clostridium-Gattungen machen 95% der Firmicutes-Population aus. Der Bacteroidetes-Stamm umfasst hauptsächlich Gattungen wie Bacteroides und Prevotella. Der Stamm der Actinobacteria ist weniger verbreitet und wird hauptsächlich durch die Gattung Bifidobacterium charakterisiert1.

Die Zusammensetzung der bakteriellen Vielfalt allein kann uns allerdings keinen eindeutigen Hinweis auf die Frage bieten, was ein gesundes Mikrobiom ausmacht. Einen weiteren Anhaltspunkt kann ein Blick auf die Funktionen, welche diese Bakterien übernehmen, liefern.

Funktionelle Sicht auf das Mikrobiom

Mit einem Blick auf die mikrobiellen Gene und welche Funktionen diese Gene erfüllen, können wir Vermutungen über die funktionelle Kapazität des Mikrobioms anstellen. Mehrere Mikrobenarten verfügen über ein ähnliches funktionelles Potenzial und verstoffwechseln und/oder produzieren die gleichen Nährstoffe.

Ein gesundes Mikrobiom verfügt über eine hohe bakterielle Vielfalt und eine hohe funktionelle Redundanz.

Mit anderen Worten: Du und ich können eine sehr unterschiedliche Zusammensetzung unserer Mikrobiome aufweisen im Hinblick auf die Bakterienarten, die in unserem Darm leben. Hinsichtlich der Funktionen, die diese Bakterien übernehmen, können sich unsere Mikrobiome aber sehr ähneln. Wir können somit festhalten, dass ein gesundes Mikrobiom sowohl eine hohe bakterielle Vielfältigkeit als auch eine hohe funktionelle Redundanz aufweist bzw. aufweisen sollte.

Der dysbiotische Zustand

In einem dysbiotischen Zustand sind die in einem gesunden Mikrobiom dominierenden Bakterienarten unterrepräsentiert. Gleichzeitig haben sich potenziell pathogene Arten vermehrt. Die diesen Zustand verursachenden Faktoren können dabei unterschiedlicher Natur sein. Das Ergebnis ist, dass die bakterielle Vielfalt im Allgemeinen reduziert ist.

Eine Darmdysbiose kann als Ungleichgewicht der verschiedenen Bakterien im Darm definiert werden.

Die Bakterien in unserem Darm leben in starker Abhängigkeit zueinander. Der Verlust einer Art im Darm bringt oft Veränderungen für andere Arten nach sich. Die Dysbiose wird dadurch schnell zu einem sich selbst verstärkenden Teufelskreis.

Diese Charakteristika einer Dysbiose treten häufig zusammen auf*:

  1. Verlust der uns nützlichen Bakterien(stämme)
  2. Überwucherung mit potenziell pathogenen Bakterien(stämmen)
  3. Gesamtverlust der bakteriellen Vielfalt

(* siehe Quelle #2).

Auf die unterschiedlichen Ursachen einer Dysbiose werden wir in diesem Artikel nicht weiter eingehen. Wir möchten unser Augenmerk auf einen Auslöser und Treiber der Dysbiose richten, da er auch bei der Behandlung der Dysbiose eine entscheidende Rolle spielen kann: Sauerstoff.

Sauerstoff als Treiber einer Darmdysbiose

Unser Körper und unsere körpereigenen Zellen benötigen Sauerstoff zum Überleben. Etwa 43% der Zellen, aus denen wir bestehen, sind menschlichen Ursprungs; die restlichen 57% sind Zellen von Mikroben. Viele Mikroben vertragen Sauerstoff allerdings gar nicht. Die meisten dieser Mikroben besiedeln den Dickdarm, dessen Milieu sich im gesunden Zustand durch Sauerstoffarmut auszeichnet.

Störungen des Darmmilieus können dazu führen, dass die Epithelzellen des Dickdarms (die Kolonozyten) Sauerstoff freisetzen. Der freigesetzte Sauerstoff kann Mikroben schaden, mit der Folge einer Darmdysbiose, eines zellulären Energiemangels und Entzündungen.

Ursprung der Zellen in unserem Organismus

Lass’ uns tiefer in die Frage abtauchen, wie Sauerstoff zum Hauptverursacher einer Darmdysbiose werden kann!

Das sauerstoffarme Ökosystem des Dickdarms

Die meisten Bakterien im Dickdarm sind sogenannte obligate Anaerobier. Diese Bakterien können nur in einer Umgebung wachsen und sich vermehren, die weitgehend frei von Sauerstoff ist. 

Einige dieser Bakterien werden heute als Probiotika der zweiten Generation angesehen, da sie den Abbau von Ballaststoffen unterstützen und kurzkettige Fettsäuren wie Butyrat produzieren.

In einem gesunden Darm gibt es auch eine kleine Anzahl von fakultativen Anaerobiern. Diese sind in der Lage, in Umgebungen sowohl mit als auch ohne Sauerstoff zu wachsen und sich zu vermehren.

Viele bekannte Krankheitserreger im Darm sind fakultative Anaerobier. Das sauerstoffarme Milieu im Darm und die hohe Präsenz von obligaten Anaerobiern halten sie jedoch im gesunden Zustand in Schach.

Darmhomöostase vs. Darmdysbiose Grafik

Die Energieproduktion der Darmzellen trägt zum sauerstoffarmen Milieu bei

Kurzkettige Fettsäuren dienen unseren Kolonozyten als Hauptenergiequelle. Butyrat liefert den Kolonozyten, die die Darmbarriere des Dickdarms bilden, tatsächlich etwa 70% der von diesen Zellen benötigten Energie3. (95-99% der von unseren Mikroben produzierten kurzkettigen Fettsäuren werden übrigens absorbiert; höchstens 5% werden mit dem Kot ausgeschieden4.)

Nach dem Eintritt in die Kolonozyten durchläuft Butyrat den Prozess der Beta-Oxidation in den Mitochondrien. Dieser Prozess stellt die Energie zur Verfügung, die die Darmzellen nutzen, um letztendlich Wasser aus dem Darmlumen zu absorbieren5. Bei diesem Prozess werden große Mengen an Sauerstoff verbraucht. Indem Kolonozyten den gesamten Sauerstoff auf diese Weise verbrauchen, tragen sie zur Aufrechterhaltung der „physiologischen Hypoxie“ (der physiologischen sauerstoffarmen Umgebung) im Darm bei.

Butyrat liefert den Kolonozyten Energie, mit der diese Sauerstoff verbrauchen und so den Darm zu einer sauerstoffarmen Umgebung machen.

Aufrechterhaltung der intestinalen Barrierefunktion

Forscher der University of Colorado konnten nachweisen, dass diese Verstoffwechselung von Butyrat für die Aufrechterhaltung der physiologischen Hypoxie im Dickdarm notwendig ist6. Sie fanden heraus, dass ein Hypoxie-induzierbarer Faktor (HIF) genanntes Protein als “Sauerstoffsensor” in der Zelle fungiert.

Wenn der Sauerstoffgehalt sinkt, aktiviert HIF eine bestimmte Genexpression (d.h. die Art und Weise, wie eine bestimmte genetische Information exprimiert wird und in Erscheinung tritt) der Darmgene, die für die Aufrechterhaltung der Darmbarriere wichtig ist. Umgekehrt führt eine Erhöhung des Sauerstoffgehalts zu einer Destabilisierung von HIF, und die Expression dieser schützenden Darmgene wird unterbrochen.

Darüber hinaus reguliert HIF die Aktivität von Genen, die für die Produktion von Beta-Defensin-1 (einem antimikrobiellen Peptid), die Muzinproduktion und die Entgiftung von Xenobiotika (z.B. Medikamenten) entscheidend sind7-9. Die Stabilisierung von HIF ist somit ein zentraler Mechanismus für die Aufrechterhaltung der intestinalen Barrierefunktion und hat eine krankheitspräventive Wirkung, insbesondere im Hinblick auf Colitis.

Stabilisierung des Hypoxie-induzierbaren Faktors (HIF) ist zentraler Mechanismus für die Aufrechterhaltung der intestinalen Barrierefunktion.

Antibiotika reduzieren Produktion von Butyrat

Nach diesen Erkenntnissen stellte sich die Forschergruppe die Frage, ob Antibiotika den physiologischen Hypoxiezustand beeinflussen, indem sie die kurzkettigen Fettsäuren produzierenden, obligaten Anaerobier dezimieren. Die Verabreichung eines Breitbandantibiotikums über nur drei Tage führte tatsächlich zu einem drastischen Abfall des Butyratspiegels. Infolgedessen stieg der Sauerstoffgehalt im Darm an und der Zustand der physiologischen Hypoxie verschwand. 

Auf zellulärer Ebene wurde der Sauerstoffsensor HIF nicht mehr stabilisiert, die Expression der Darmgene wurde rückläufig, was zu einem Verlust der Darmbarrierefunktion führte – auch bekannt als Leaky Gut (durchlässiger Darm).

Übrigens: Da der Mikrobiota der in der Studie getesteten Mäuse wichtige faserfermentierende obligate Anaerobier fehlten, konnte die Butyratproduktion durch die Gabe von Ballaststoffen nicht gesteigert werden. Wir können daraus schlussfolgern, dass Ballaststoffe daher nicht die beste Option zur Behandlung von Leaky Gut in Kombination mit einer schweren Darmdysbiose sind – zumindest nicht in der Anfangsphase.

Gemeinsame Marker der Darmdysbiose: geringe Häufigkeit von Butyratproduzenten und Zunahme fakultativer Anaerobier

Jüngste Fortschritte in der Sequenzierungstechnologie ermöglichen eine detaillierte Charakterisierung der Darmdysbiose bei einer Vielzahl von Erkrankungen. Obwohl die möglichen Variationen der Darmmikrobiota bei einer Dysbiose enorm sind, treten bestimmte Muster bei verschiedenen Krankheiten auf.

Eine wichtige Beobachtung von Litvak et al. weist auf ein häufiges dysbiotisches Muster hin: die anhaltende Verbreitung fakultativ anaerober Bakterien aus dem Stamm der Proteobacteria10. Proteobakterien, eine der fünf primären Bakteriengruppen im menschlichen Darm, umfassen verschiedene Gattungen wie Escherichia, Shigella, Salmonella, Helicobacter und andere. Diese Gattungen werden häufig als opportunistische Krankheitserreger eingestuft: In einem ausgewogenen mikrobiellen Ökosystem koexistieren diese Bakterien harmlos mit anderen Bakterienarten. Unter für sie günstigen Bedingungen jedoch vermehren sie sich und werden krankheitserregend.

Proteobakterien sind fakultative Anaerobier: wie wir oben bereits beschrieben haben, sind sie in der Lage, in sauerstoffreichen Umgebungen zu überleben. Ein entscheidender Faktor für die Vermehrung von Proteobakterien ist somit Sauerstoff10. Sauerstoff verschafft den Proteobakterien einen entscheidenden Vorteil gegenüber den obligat anaeroben Mikroben, deren Butyrat-produzierenden Gattungen wichtig für unsere Darmgesundheit sind.

Eine Zunahme von Proteobakterien geht in der Regel mit einer Abnahme der Butyrat-produzierenden Bakterien einher, was zwangsläufig zu einer Dysbiose führt.

Eine Zunahme der Proteobakterien geht in der Regel mit einer Abnahme von Butyrat-produzierenden Bakterien einher. Am Ende dieses Prozesses steht eine Dysbiose, die durch einen hohen Anteil an Proteobakterien und einen niedrigen Anteil an Butyratproduzenten gekennzeichnet ist. Dieses mikrobielle Ungleichgewicht wird mit mehreren chronischen Erkrankungen in Verbindung gebracht, darunter chronisch entzündliche Darmerkrankungen (CED), Reizdarmsyndrom, Darmkrebs, Divertikulitis, Histaminintoleranz, Typ-2-Diabetes und Adipositas1.

Bist du noch dabei? Großartig! Eine in diesem Abschnitt beschriebene Dysbiose-Signatur weist auf eine mögliche epitheliale Dysfunktion hin, die wir uns in den folgenden Abschnitten noch ein wenig genauer anschauen wollen.

Proteobakterien-induzierte Dysbiose in Abwesenheit von Antibiotika

Auch ohne Antibiotika können opportunistische Mitglieder des Stammes der Proteobakterien bestimmte Moleküle verwenden, um den Stoffwechsel der Kolonozyten zu „hacken“ und so eine Nährstoffumgebung im Darm zu schaffen, die derjenigen ähnelt, die durch Antibiotika entsteht.

Bestimmte Stämme der Protobakterien Escherichia coli und Salmonella können durch ihre Fähigkeit, sich an Darmepithelzellen anzuheften, eine Kaskade von Entzündungssignalen auslösen. Diese können zu einem unkontrollierten Zellwachstum in den Krypten, den schlauchförmigen Einsenkungen des Dickdarms führen11,12.

Dies führt zu einer erhöhten Sauerstoffverfügbarkeit an der Schleimhautoberfläche des Dickdarms, was die oben beschriebene Ausbreitung von krankheitserregenden Bakterien im Darmlumen ermöglicht.

Auslöser einer Darmdysbiose:

  • Antibiotika
  • Stress
  • Lokale und systemische Infektionen (virale, bakterielle und Pilzinfektionen)
  • Krebsbehandlungen
  • Ballaststoffarme Ernährung
  • Lebensmittel-Emulgatoren
  • Süßstoffe

Das dysbiotische Muster mit vermehrten Enterobacteriaceae ohne Antibiotikabehandlung führt ebenso zu einer Verminderung der Butyratproduzenten. Übrigens: In einem gesunden und physiologisch hypoxischen Darm machen Enterobacteriaceae normalerweise weniger als 0,1% der gesamten Mikrobiota aus13.

Verschiebung des Energiestoffwechsels in den Kolonozyten führt zu Darmdysbiose

Wie wir bereits festgehalten haben, führt die Verringerung der Butyratproduzenten zu einer Verringerung des Sauerstoffverbrauchs der Kolonozyten. Der höhere Sauerstoffgehalt löst eine Vermehrung der fakultativen Anaerobier aus.

Den Epithelzellen fehlt nun ihre bevorzugte Energiequelle (Butyrat). Auf der Suche nach neuer Energie beginnen sie, Glukose aus dem Blutstrom zu verstoffwechseln – für den Abbau der Glukose in den Kolonozyten wird kein Sauerstoff benötigt. Durch die Verstoffwechselung der Glucose wird vermehrt Nitrat und Laktat gebildet, die zusammen mit dem vorhandenen Sauerstoff in die Darmschleimhaut und schließlich in das Darmlumen gelangen. Dieser Prozess führt zu einem Teufelskreis der Vermehrung der Proteobakterien.

Der Hauptschalter des Kolonozytenstoffwechsels

Bei einer intestinalen Dysbiose wird der Stoffwechsel vom Verbrennen von Fettsäuren wie Butyrat auf das Verbrennen von Glukose umgestellt. Diese Änderung im Stoffwechsel wird durch ein bestimmtes Gen gesteuert, das für eine Gruppe von Proteinen kodiert, die als PPAR-gamma (peroxisome proliferator-activated receptors) bekannt sind.

Wiederherstellung eines sauerstoffarmen Milieus im Darm könnte Schlüssel zur Umkehrung der intestinalen Dysbiose sein.

Im gesunden Zustand fermentieren die Bakterien in unserem Darm Ballaststoffe und produzieren dabei kurzkettige Fettsäuren wie Butyrat. Butyrat dient wie gesehen als Energiequelle für die Kolonozyten und erhöht auch die Expression und Aktivierung von PPAR-gamma. PPAR-gamma wiederum aktiviert Gene, die die Verwendung von Butyrat als Energiequelle erhöhen14. Wir sprechen von einer positiven Rückkopplungsschleife.

Bei der Dysbiose führt der Mangel an Butyrat-produzierenden Bakterien zu einer Herunterregulierung der Expression und Aktivität von PPAR-gamma. Dadurch erhöhen sich die Sauerstoff- und Nitratwerte im Darm, was wie erwähnt die Vermehrung pathogener Bakterien begünstigt.

Die gezielte Beeinflussung dieses Hauptschalters im Stoffwechsel der Kolonozyten (neben anderen damit verbundenen Strategien) könnte ein Schlüssel zur Wiederherstellung eines sauerstoffarmen Milieus im Darm sein, und damit zur Umkehrung der intestinalen Dysbiose maßgeblich beitragen.

Zusammenfassung

Geschafft! Du bist zum Ende unseres heutigen anspruchsvollen Artikels gelangt. Wir haben den Sauerstoffgehalt im Darm als einen der Hauptfaktoren der Darmdysbiose identifiziert. Übrigens: Wissenschaftliche Erkenntnisse zeigen, dass Antibiotika, eine ballaststoffarme Ernährung, Magen-Darm-Infektionen, Stress sowie der Verzehr großer Mengen stark verarbeiteter Lebensmittel die Entwicklung einer Darmdysbiose begünstigen. All dies kann den Sauerstoffgehalt im Darm erhöhen und somit die in diesem Artikel beschriebenen, die Darmdysbiose auslösenden Mechanismen begünstigen.

Wie geht es weiter? In einem Folgeartikel werden wir wissenschaftlich fundierte Ansätze zur Umkehrung der Darmdysbiose vorstellen. Diese beruhen auf der Wiederherstellung der physiologischen Hypoxie, d.h. einer sauerstoffarmen Umgebung in den Epithelzellen des distalen Darms.


Referenzen (Englisch)

  1. Rinninella E, Raoul P, Cintoni M, Franceschi F, Miggiano GAD, Gasbarrini A, u. a. What is the Healthy Gut Microbiota Composition? A Changing Ecosystem across Age, Environment, Diet, and Diseases. Microorganisms. 10. Januar 2019;7(1):14.
  2. DeGruttola AK, Low D, Mizoguchi A, Mizoguchi E. Current Understanding of Dysbiosis in Disease in Human and Animal Models: Inflamm Bowel Dis. Mai 2016;22(5):1137–50.
  3. Donohoe DR, Garge N, Zhang X, Sun W, O’Connell TM, Bunger MK, u. a. The Microbiome and Butyrate Regulate Energy Metabolism and Autophagy in the Mammalian Colon. Cell Metab. Mai 2011;13(5):517–26.
  4. Den Besten G, Van Eunen K, Groen AK, Venema K, Reijngoud DJ, Bakker BM. The role of short-chain fatty acids in the interplay between diet, gut microbiota, and host energy metabolism. J Lipid Res. September 2013;54(9):2325–40.
  5. Velázquez OC, Lederer HM, Rombeau JL. Butyrate and the colonocyte. Production, absorption, metabolism, and therapeutic implications. Adv Exp Med Biol. 1997;427:123–34.
  6. Kelly CJ, Zheng L, Campbell EL, Saeedi B, Scholz CC, Bayless AJ, u. a. Crosstalk between Microbiota-Derived Short-Chain Fatty Acids and Intestinal Epithelial HIF Augments Tissue Barrier Function. Cell Host Microbe. Mai 2015;17(5):662–71.
  7. Kelly CJ, Glover LE, Campbell EL, Kominsky DJ, Ehrentraut SF, Bowers BE, u. a. Fundamental role for HIF-1α in constitutive expression of human β defensin-1. Mucosal Immunol. November 2013;6(6):1110–8.
  8. Wartenberg M, Ling FC, Müschen M, Klein F, Acker H, Gassmann M, u. a. Regulation of the multidrug resistance transporter P‐glycoprotein in multicellular tumor spheroids by hypoxia‐inducible factor‐1 and reactive oxygen species. FASEB J. März 2003;17(3):1–22.
  9. Louis NA, Hamilton KE, Canny G, Shekels LL, Ho SB, Colgan SP. Selective induction of mucin‐3 by hypoxia in intestinal epithelia. J Cell Biochem. 15. Dezember 2006;99(6):1616–27.
  10. Litvak Y, Byndloss MX, Tsolis RM, Bäumler AJ. Dysbiotic Proteobacteria expansion: a microbial signature of epithelial dysfunction. Curr Opin Microbiol. Oktober 2017;39:1–6.
  11. Rivera-Chávez F, Zhang LF, Faber F, Lopez CA, Byndloss MX, Olsan EE, u. a. Depletion of Butyrate-Producing Clostridia from the Gut Microbiota Drives an Aerobic Luminal Expansion of Salmonella. Cell Host Microbe. April 2016;19(4):443–54.
  12. Rivera-Chávez F, Lopez CA, Bäumler AJ. Oxygen as a driver of gut dysbiosis. Free Radic Biol Med. April 2017;105:93–101.
  13. Eckburg PB, Bik EM, Bernstein CN, Purdom E, Dethlefsen L, Sargent M, u. a. Diversity of the Human Intestinal Microbial Flora. Science. 10. Juni 2005;308(5728):1635–8.
  14. Byndloss MX, Olsan EE, Rivera-Chávez F, Tiffany CR, Cevallos SA, Lokken KL, u. a. Microbiota-activated PPAR-γ signaling inhibits dysbiotic Enterobacteriaceae expansion. Science. 11. August 2017;357(6351):570–5.

Weiterlesen

PHGG – Ein Ballaststoff, der Verdauungsbeschwerden schon bei geringer Dosierung verbessert

Wenn bei dir das Reizdarmsyndrom oder SIBO (Dünndarmfehlbesiedlung) diagnostiziert wurde, hast du bei der Suche nach Linderung deiner Symptome wahrscheinlich schon von PHGG gehört.

Für manche ist PHGG so etwas wie der heilige Gral der Ballaststoffergänzungen. Aber kann es diesem Hype wirklich gerecht werden? Im heutigen Artikel erfährst du, wie PHGG sich von anderen Ballaststoffen unterscheidet – und ob es Belege für die in den sozialen Medien aufgestellten Behauptungen gibt! (Unseren letzten Artikel verpasst? Lies nach, ob du bei Weizenallergie nur noch Sauerteigbrot essen solltest.)

Hinweis: Wie immer sind die Informationen in unserem Artikel von uns selbst recherchiert und geschrieben – ohne Beteiligung von ChatGPT und Konsorten. Viel Spaß beim Lesen!

Wichtigste Erkenntnisse

  • Kaum ein anderer Ballaststoff wurde so oft bezüglich der Linderung der Symptome bei Reizdarm untersucht wie PHGG
  • Neue längerfristige Studie (über 6 Monate): positive Auswirkungen von PHGG auf die Stuhlkonsistenz und die Entzündungen bei Reizdarmsyndrom, Colitis ulcerosa und Morbus Crohn
  • Durch Produktion kurzkettiger Fettsäuren wie Butyrat können lösliche Ballaststoffe wie PHGG die Mastzellenaktivierung und die anschließende Histaminfreisetzung positiv (hier: hemmend) beeinflussen

Was ist PHGG?

Partiell-hydrolysiertes Guarkernmehl (PHGG) ist ein wasserlöslicher Ballaststoff, der aus der Guarbohne gewonnen wird, die hauptsächlich in Pakistan und Indien angebaut wird. Guarkernmehl wird häufig als Verdickungsmittel und Stabilisator in der Lebensmittelindustrie verwendet (Du hast es bestimmt schon mal auf einem Lebensmitteletikett oder eine Zutatenliste gesehen). Guarkernmehl verfügt über gute präbiotische Eigenschaften; es ist aber leider auch als Histaminliberator bekannt und somit für Menschen mit Histaminintoleranz nicht geeignet.

PHGG wird durch enzymatische Hydrolyse (Spaltung) von Guarkernmehl gewonnen. Obwohl die ursprüngliche Verwandtschaft von PHHG und Guarkernmehl es nicht unbedingt vermuten lässt, hat PHGG in seinen chemischen und sogar in einigen physiologischen Eigenschaften wenig mit Guarkernmehl gemeinsam. Schau’ dir dazu diese Fakten an:

  • Guarkernmehl besitzt eine 250 fache höhere Viskosität als PHGG und ist damit zähflüssig; es geliert geradezu und kann im schlimmsten Fall zur Verstopfung der Speiseröhre führen. PHGG hingegen löst sich leicht und fast vollständig in Wasser auf und kann so sehr gut eingenommen werden.
  • PHGG kann die Symptome des Reizdarmsyndroms lindern – dafür gibt es eine Reihe wissenschaftlicher Belege. Für Guarkernmehl gibt es hingegen keine Belege für eine derartige Wirkung. (Lies hier, ob Probiotika nützlich sind!)
  • Und wie sieht es mit der Histaminintoleranz aus? Darauf wollen wir in der folgenden Box ein wenig genauer eingehen.

PHGG und Histaminintoleranz/ Mastzellaktivierungssyndrom

Wenn bei dir eine chronisch-entzündliche Darmerkrankung diagnostiziert worden, ist dir wahrscheinlich geraten wurde, Guarkernmehl zu meiden. Wie wir bereits erwähnt haben, sollte PHGG aus guten Gründen nicht mit seinem Substrat, dem Guarkernmehl, verglichen werden.

Tatsächlich hat sich gezeigt, dass Störungen der Mastzellenaktivierung in engem Zusammenhang mit einem niedrigen Ballaststoffkonsum stehen15. Durch direkte Interaktionen mit dem Immunsystem und die Produktion kurzkettiger Fettsäuren können lösliche Ballaststoffe wie PHGG die Mastzellenaktivierung und die anschließende Histaminfreisetzung positiv (hier: hemmend) beeinflussen.

Ein Großteil der positiven Wirkungen wird dabei Butyrat zugeschrieben, das durch Fermentation der präbiotischen Ballaststoffe im Dickdarm entsteht16. Um eine schnellere und direktere Wirkung zu erzielen, könnte eine Supplementierung mit Butyrat mit gezielter und langsamer Freisetzung im Dünn- und Dickdarm eine Überlegung wert sein.

Symptomlinderung bei Reizdarm: PHGG im Vergleich zu anderen Ballaststoffen

Wenn es um die Verringerung von Symptomen beim Reizdarmsyndrom geht, sind nur wenige lösliche Ballaststoffe so gründlich getestet worden wie PHGG. In drei randomisiert-kontrollierten Studien und mehreren weiteren klinischen Studien zeigte PHGG nachweislich positive Auswirkungen auf die Symptome des Reizdarmsyndroms, die Stuhlkonsistenz, die Transitzeit und die Zusammensetzung des Darmmikrobioms. 

Schauen wir im Folgenden auf vier weitere FODMAP-arme Ballaststoffe, die häufig bei der Behandlung des Reizdarmsyndroms (RDS) eingesetzt werden:

  • Akazienfaser

    Akazienfaser ist ein weiterer löslicher Ballaststoff, von dem bekannt ist, dass er für RDS-Patienten gut verträglich ist. Obwohl Akazienfaser nachweislich die Verstopfung bei RDS-C-Patienten verbessert1, hat sich nicht gezeigt, dass er die allgemeinen Symptome des Reizdarmsyndroms und anderer RDS-Subtypen verbessert.

  • Resistente Stärke

    Resistente Stärke Typ 2 ist in geringer Dosierung als FODMAP-arm zertifiziert und kann von RDS-Patienten ohne Bedenken verzehrt werden. Obwohl sie sich positiv auf das Darmmikrobiom und den Histamingehalt auswirkt2,3, gibt es keine Belege dafür, dass sie die Symptome des Reizdarmsyndroms verringern kann.
  • Resistentes Dextrin

    Resistentes Dextrin ist ein weiterer Ballaststoff, der meist aus gentechnikfreiem Mais hergestellt wird. Da resistentes Dextrin langsam fermentiert, ist die Gasbildung gering, und Menschen mit Reizdarmsyndrom können normalerweise relativ große Mengen davon verzehren, ohne dass sich die Symptome verschlimmern. Obwohl auch für diesen Ballaststoff ein positiver Einfluss auf die Zusammensetzung des Mikrobioms und den Stoffwechsel nachgewiesen wurde4,5, gibt es keine Belege in der Fachliteratur, dass resistentes Dextrin die Symptome des Reizdarmsyndroms positiv beeinflussen kann.
  • Flohsamen

    Flohsamenschalen sind der einzige hier aufgeführte Ballaststoff, der nach der verfügbaren Literatur mit PHGG vergleichbar ist, wenn es um die Verringerung der Symptome bei RDS-Patienten geht6. Der Nachteil? Im Vergleich zu PHGG können Flohsamenschalen recht schnell gelieren und sind daher für den regelmäßigen Verzehr für viele Menschen schlechter geeignet. PHGG hingegen löst sich vollständig in Wasser auf und kann fast jedem Getränk zugesetzt werden.

Ballaststoffe bei entzündlichen Darmerkrankungen – Freund oder Feind?

Ballaststoffe waren lange Zeit stigmatisiert und wurden bei der diätetischen Behandlung von entzündlichen Darmerkrankungen eher als Feind denn als Freund betrachtet. (Wieso Präbiotika wichtig sind, haben wir in einem früheren Beitrag bereits erläutert.) Es ist bekannt, dass eine elementare Diät (ohne Ballaststoffe) selbst bei schweren Fällen von Morbus Crohn und Colitis ulcerosa zur Remission führen kann8. Die Kehrseite dieser Diäten ist jedoch, dass die Verlagerung von Bakterien durch die Darmbarriere zunimmt9. Dies ist wahrscheinlich auf einen Verlust der Barrierefunktion zurückzuführen10.

Eine Studie ergab, dass die Zugabe von Ballaststoffen zu dieser Elementardiät die genannte Verlagerung tatsächlich verhindern konnte9. Neue Forschungsergebnisse und aktuelle Leitlinien für die langfristige diätetische Behandlung von CED befürworten auch die Verwendung von Ballaststoffen für diese Krankheitsgruppe, wobei der Schwerpunkt auf löslichen Ballaststoffen liegt11,12. Es ist jedoch etwas unklar, welche Art von löslichen Ballaststoffen und welche Dosierungen den optimalen Nutzen bringen.

Was sagt die S3-Leitlinie zu Ballaststoffen?

In der S3-Leitlinie für das Reizdarmsyndrom (die von den meisten Ärzten in Deutschland verwendet wird) wird empfohlen, lösliche Ballaststoffe in die Ernährung einzubeziehen7. Von den oben genannten Ballaststoffen stehen nur PHGG und Flohsamenschalen auf der Positivliste der Leitlinie; für die anderen genannten Ballaststoffe gibt es keine Belege für positive Effekte auf die Symptomlinderung bei Reizdarmsyndrom.

PHGG als unterstützende Therapie bei CED

Kürzlich wurden die längerfristigen Auswirkungen (6 Monate) der gleichzeitigen Verabreichung von PHGG und medizinischer Standardbehandlung bei Reizdarmsyndrom und CED untersucht. Da die meisten Studien zu PHGG (und anderen Ballaststoffen) nur über einen Zeitraum von 1 bis 3 Monaten durchgeführt wurden, ist diese Studie einmalig.

Die aktuelle Studie konnte die Sicherheit einer langfristigen PHGG-Supplementierung bei Reizdarmsyndrom, Colitis ulcerosa und Morbus Crohn bestätigen. Es wurden positive Auswirkungen auf die Stuhlkonsistenz und die Entzündung festgestellt13. Um die Ergebnisse der Autoren zu zitieren:

“Die Behandlung mit PHGG führte bei Patienten mit Reizdarmsyndrom zu signifikanten Veränderungen, einschließlich einer Zunahme der Häufigkeit von kurzkettigen Fettsäuren produzierenden Bakterien, einer signifikanten Abnahme der Häufigkeit von Bacteroides und einer Normalisierung des Stuhls auf der Bristol-Skala. Bei Patienten mit UC wurden eine nicht signifikante Normalisierung des weichen Stuhls und ein Rückgang des fäkalen Calprotectins beobachtet. Unerwünschte Ereignisse wurden in keiner der Gruppen beobachtet.”

Ballaststoffe, die blähen? Nein, danke!

Der Verzehr von löslichen Ballaststoffen ist bekanntlich gut für dein Darmmikrobiom, da sie nützliche Mikroben (Darmbakterien) ernähren. Werden die Ballaststoffe im Darm von den Bakterien fermentiert (verdaut), kommt es unweigerlich zu Gasbildung. Dies kann zunächst zu unerwünschten Blähungen und Flatulenzen führen. Die Menge der entstehenden Gase hängt stark von der Struktur der Ballaststoffe, ihrem Molekulargewicht und der Zusammensetzung des Mikrobioms ab. Die gute Nachricht: Diese Symptome klingen in der Regel ab, wenn du Ballaststoffe anfänglich niedrig dosierst und die Dosierung über einige Wochen langsam erhöhst.

Gesundheitlichen Vorteile von Butyrat

  • dient als Energiequelle für deine Darmzellen
  • kann Entzündungen herunterregulieren
  • kann das Immunsystem regulieren
  • verfügt über Antitumoreigenschaften 

Wie oben bereits beschrieben ist ein Produkt der Fermentation der Ballaststoffe die kurzkettige Fettsäure Butyrat. Kurzkettige Fettsäuren (SCFA, aus dem englischen Short-Chained Fatty Acids) sind Signalmoleküle und dienen als Energiequelle für deine Darmzellen. Übrigens: Gasproduktion und SCFA-Produktion gehen meist Hand in Hand. Wenn keine Gasproduktion vorhanden ist, ist die SCFA-Produktion letztlich gering.

Eine Studie, die die Gas- und SCFA-Produktion verschiedener Ballaststoffe untersuchte, fand heraus, dass PHGG im „Sweet Spot“ liegt – es erzeugt eine mittlere Menge an Gas und produziert reichlich von der kurzkettigen Fettsäure Butyrat14.

Die oben erwähnte Studie ergab, dass PHGG im Vergleich zu Zuckerrohrbagasse und Akazienfasern eine günstigere Butyratproduktion aufweist, wenn auch eine etwas höhere Gasproduktion. Mit anderen Worten: Wenn du einen nachweislich wirksamen Ballaststoff mit (immer noch) geringer Gasproduktion suchst, ist PHGG dein bester Freund.

Dosierung von PHGG und Dauer der Einnahme

Wie bei allen Ballaststoffen ist es ratsam, langsam mit der Einnahmemenge zu beginnen. Typischerweise bedeutet dies, mit 5 Gramm PHGG zu beginnen – bereits mit 5 Gramm pro Tag wurden positive Auswirkungen auf die Stuhlkonsistenz und RDS-Symptome festgestellt17. (Die Einnahme erfolgt am besten morgens; bei anfänglichen Gewöhnungseffekte kann EASYibs auch abends eingenommen werden, damit es über Nacht fermentiert werden kann.)

Der Nutzen von PHGG scheint bei höheren Dosierungen zuzunehmen. Die meisten Menschen vertragen PHGG von Anfang an sehr gut. Solltest du am Anfang sensibel auf die Einnahme reagieren, kannst du mit 2,5 Gramm pro Tag anfangen (oder du verteilst die 5 Gramm auf 2,5 Gramm morgens und 2,5 Gramm abends). Auf diese Weise sollte dein Mikrobiom in der Lage sein, sich an das Plus von Ballaststoffen zu gewöhnen.

Im Laufe der Einnahme kannst du zu den 5 Gramm am Morgen weitere 5 Gramm am Abend und schließlich weitere 5 Gramm am Mittag hinzunehmen (oder 7,5 Gramm am Morgen und 7,5 Gramm am Abend). 15 Gramm PHGG pro Tag können vom Darmmikrobiom gesunder Menschen nämlich vollständig verstoffwechselt werden. Da der Nutzen von Ballaststoffen (insbesondere die Produktion kurzkettiger Fettsäuren) mit deren Einnahmemenge zunimmt, sind diese 15 Gramm PHGG pro Tag ein theoretischer Richtwert, bei dem der Nutzen der Einnahme optimiert wird18. Die meisten Menschen werden auch mehr als 15 Gramm PHGG am Tag ohne Probleme vertragen.

Dies sind die Dosierungsempfehlungen für Mibiota EASYibs bei Verstopfung und bei Durchfall und gemischtem Stuhlverhalten
PHGG-Dosierungsempfehlung für die ersten Tage.

Nach etwa 3 Wochen einer Dosierung von 15 Gramm am Tag wird empfohlen, die tägliche Einnahme auf eine Erhaltungsdosis von 5-10 Gramm zu reduzieren. Diese solltest du mindestens 6 Monate lang beibehalten, da sich die positiven Auswirkungen auf dein Darmmikrobiom und deine Darmbarriere im Laufe der Zeit summieren. (Erfahre mehr zur Dosierung und Einnahme von PHGG in den Produkt-FAQs zu EASYibs!)

PHGG – ein unsichtbarer Ballaststoff mit sichtbaren Vorteilen

Lösliche Ballaststoffe sind eine großartige Ergänzung für deine tägliche Ernährung. Neben der Ankurbelung der Produktion kurzkettiger Fettsäuren und der Verbesserung der Zusammensetzung deines Darmmikrobioms, verbessern Ballaststoffe wie PHGG und Flohsamenschalen nachweislich die allgemeinen Symptome aller RDS-Subtypen. Ein weiterer Vorteil von PHGG ist, dass es geruchlos ist, sich vollständig in Wasser auflöst und so gut wie keinen Geschmack hat. Da es hitzebeständig ist, kannst du es sogar in den morgendlichen Kaffee oder Tee geben.

Referenzen (Englisch)

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Glutensensitivität und Weizenallergie – nur noch Sauerteig?

Nachdem wir in unserem letzten Blogbeitrag auf die Bedeutung der Verdauungsenzyme eingegangen sind, widmen wir uns in diesem Beitrag einem weiteren wichtigen Thema zur Verdauung bei funktionellen Darmerkrankungen.

Glutensensitivität, die nach dem Verzehr des Eiweißes Gluten Verdauungssymptome auslöst und nicht durch Zöliakie ausgelöst wird, betrifft rund 15% der Gesamtbevölkerung. Die Störung wurde erstmals 1980 beschrieben und hat dank neuer Forschungsergebnisse in den letzten Jahren mehr Aufmerksamkeit und Anerkennung gewonnen. In diesem Blogbeitrag lernst Du die Hintergründe der Störung, was der Stand der Wissenschaft zu einer möglichen Behandlung gerade sagt, und praktische Tipps für Deinem Alltag.

Hinweis: Wie immer sind die Informationen in unserem Artikel von uns selbst recherchiert und geschrieben – ohne Beteiligung von ChatGPT und Konsorten. Viel Spaß beim Lesen!

Wichtigste Erkenntnisse vorab

  • Die Nicht-Zöliakie-Glutensensitivität (NCGS) kann durch FODMAPs und Proteine in Getreide ausgelöst werden.
  • Amylase-Trypsin-Inhibitoren (ATIs) sind die prominentesten Auslöser von NCGS und starke Aktivatoren des angeborenen Immunsystems.
  • Glutenfreies Getreide, Sauerteig und alte Weizensorten wie Einkorn weisen derzeit das größte Potential auf, die Menge an ATIs in der Ernährung zu reduzieren oder abzubauen.
  • Der Zuckeralkohol Mannitol (ein FODMAP) kann durch Sauerteiggärung begünstigt werden.
  • ATI-abbauende Probiotika könnten eine zukünftige Therapieoption für Betroffene von NCGS sein.

Zöliakie, Weizenallergie und Glutensensitivität – gibt es einen Unterschied?

Glutensensitivität oder genauer gesagt die Nicht-Zöliakie-Glutensensitivität (NCGS) ist, wie ihr Name andeutet, getrennt von Zöliakie zu betrachten. Zöliakie ist durch eine Schädigung der Dünndarmzellen, spezifische Antikörper gegen das eigene Gewebe und häufig begleitende genetische Veranlagung gekennzeichnet. NCGS sollte auch getrennt von der Weizenallergie betrachtet werden, bei der es sich um eine unerwünschte immunologische Reaktion auf das Weizenprotein Gluten handelt.

NCGS lässt sich somit am besten als Zustand beschreiben, der durch intestinale und extraintestinale Symptome im Zusammenhang mit dem Verzehr von glutenhaltigen Lebensmitteln bei Personen gekennzeichnet ist, die weder von Zöliakie noch von einer Weizenallergie betroffen sind.

Klinische Symptome von NCGS und Auslöser der Symptome

Nach dem Verzehr von glutenhaltigen Lebensmitteln zeigen Personen mit NCGS klassischerweise Reizdarm-ähnliche Symptome wie Blähungen, Störungen der Stuhlgewohnheiten (Durchfall oder Verstopfung), Bauchschmerzen oder extraintestinale Symptome wie Gehirnnebel, Kopfschmerzen, Müdigkeit, Gelenk- und Muskelschmerzen, Hautausschläge, Depressionen oder/und Anämie. Das häufigste extraintestinale Symptom scheint dabei Müdigkeit zu sein. Die Symptome treten in der Regel innerhalb von Stunden nach dem Konsum glutenhaltiger Nahrungsmittel auf1.

Viele glutenhaltige Lebensmittel enthalten einen hohen Anteil an FODMAPs (schnell fermentierbare Kohlenhydrate und Zuckeralkohole) und sogenannten Amylase- und Trypsin-Inhibitoren. Diese Proteine werden neben Gluten als Auslöser bei NCGS vermutet2.

Wie kannst Du NCGS diagnostizieren (lassen)?

Um NCGS zu diagnostizieren, werden zuerst Zöliakie und eine Weizenallergie durch Blutuntersuchung und/oder Biopsie ausgeschlossen. Danach kann die Diagnose NCGS anhand eines Rückgangs der Symptome nach einer glutenfreien Diät (über 4-6 Wochen) und des Wiederauftretens der Symptome nach einer glutenhaltigen Ernährung (über 1-3 Wochen) gestellt werden.

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Vor Beginn der glutenfreien Diät sollten bis zu drei Hauptsymptome mit einem Schweregrad zwischen 1 und 10 notiert werden. Ein erstes Anzeichen für NCGS ist die Verringerung der drei Hauptsymptome um mindestens 30%, gemessen durch Aufzeichnung des Symptomschweregrads einmal pro Woche3. Danach sollte eine Glutenprobe durchgeführt werden: Die betroffene Person verzehrt dabei zwei identisch aussehende Lebensmittel, wobei eines Gluten enthält während das andere ohne Gluten als Placebo fungiert. Beide Lebensmittel werden mindestens eine Woche lang verzehrt, gefolgt von einer glutenfreien Woche. Ein erneutes Auftreten der Symptome in der glutenfreien Woche bestätigt dann die Diagnose NCGS3.

Für Einzelheiten zu dieser Glutenprobe verweisen wir auf Studie #3 in unseren Referenzen.

Diagnose NCGS – welche Behandlung?

Die meisten Ärzte empfehlen Patienten, die an NCGS leiden, eine glutenfreie Diät. Zwei Schwierigkeiten stehen mit dieser Behandlung allerdings in Verbindung: Durch die glutenfreie Diät nehmen die Patienten jedoch auch eine geringere Vielfalt an Lebensmitteln zu sich. Zudem kaufen sie teurere glutenfreie Produkte, die oft nicht den gleichen Nährwert oder die gleiche sensorische Qualität aufweisen wie einige der glutenhaltigen Lebensmittel.

Eine glutenfreie Diät allein wird in den meisten Fällen allerdings nicht ausreichen. Ein ganzheitlicher Ansatz zur Behandlung von NCGS schließt auch das Testen und die Umkehrung jeglicher Anzeichen einer Darmdysbiose, von Leaky Gut und einer Darmentzündung ein. (Lies’ in diesem Beitrag, was Leaky Gut genau ist und wie es behandelt werden kann).

Amylase an der Reifung von Bananen beteiligt

Bild 1: Amylasen sind am Reifungsprozess von Früchten beteiligt. 

Glutensensitivität und die Rolle von ATI-Proteinen

In jüngerer Zeit wurden zwei spezifische Fraktionen von Weizenproteinen mit NCGS in Verbindung gebracht: Amylase-Trypsin-Inhibitoren (ATIs) und Weizenkeim-Agglutinin (WGA)2. Wir haben ATIs bereits kurz erwähnt und werden uns nun mehr diesen Weizenproteinen widmen.

ATIs sind ein Teil des natürlichen Abwehrmechanismus von Pflanzen. Sie kommen in verschiedenen Formen und in unterschiedlichen Mengen in Weizensorten vor. ATIs verfügen über ein unterschiedliches Potenzial, Immunreaktionen zu aktivieren, Enzyme zu hemmen und letztlich Darmentzündungen zu verursachen1.

Als Enzyminhibitoren hemmen ATIs die Proteine Alpha-Amylase (wichtig für den Stärkeabbau) und Trypsin (wichtig für den Proteinabbau)2. Dadurch können sowohl Stärke als auch Proteine unverdaut in die unteren Teile des Dünn- und Dickdarms gelangen, wo sie von den dort ansässigen Bakterien fermentiert werden. Dieser Fermentationsprozess kann sowohl eine Dysbiose (SIBO und/oder Kolon-Dysbiose) als auch Reizdarm-ähnliche Symptome verursachen. (Leidest Du unter SIBO? Beachte den Zusammenhang von SIBO und Magensäure!)

Wie hängen ATIs, Gluten und Zöliakie zusammen?

Sowohl Studien an NCGS-Patienten als auch Tierstudien deuten darauf hin, dass ATIs aus Weizen ein starker Auslöser von Entzündungen sind, indem sie sowohl adaptive als auch angeborene Immunreaktionen aktivieren4-6. Obwohl im Zusammenhang mit Weizen oftmals nur Gluten als Auslöser von Symptomen im Fokus steht, deutet eine neuere Studie an Mäusen darauf hin, dass die gleichzeitige Aufnahme von ATIs und Gluten Zöliakie auslösen könnte7. Einer anderen Studie zufolge könnten ATIs sogar an der Entwicklung von Atemwegsallergien beteiligt sein6.

Professor Detlef Schuppan und Kollegen von der Universität Mainz konnten die negative Wirkung von ATIs auf den Darm und auch auf das Gehirn (Darm-Hirn-Achse) in einem Tiermodell für Multiple Sklerose (MS) nachweisen. Die Forscher verabreichten Mäusen eine Diät ohne Gluten aber mit ATIs, und zwar in einer Menge, die dem entspricht, was wir Menschen an einem Tag zu uns nehmen (natürlich unter Berücksichtigung des nicht unbeträchtlichen Unterschieds des Körpergewichts zwischen Mäusen und Menschen). Die Forscher verglichen ihre Ergebnisse dann mit Ergebnissen basierend auf unterschiedlichen Mengen an Gluten und ATIs in Kombination sowie mit einer komplett ATI-freien Diät. Dabei konnten sie ATIs als die wichtigste entzündungsfördernde Komponente dieser Diäten ausmachen.

Die ATIs lösten durch Aktivierung des angeborenen Immunsystems eine entzündliche Immunreaktion im Darm und im zentralen Nervensystem aus. Dies führte auch zu einem Anstieg der klinischen MS-Werte.

Die Forscher mussten nun nur noch die Übertragbarkeit dieser Ergebnisse auf den Menschen überprüfen. Dafür testeten sie die Wirkung von ATIs und Lipopolysaccharid (LPS: der Hauptzellwandbestandteil bestimmter Bakterien und Hauptaktivator der angeborenen Immunreaktion) auf die Aktivierung des angeborenen Immunsystems in weißen Blutzellen sowohl von gesunden Personen als auch von MS-Patienten. Interessanterweise konnten ATIs sowohl in den Zellen von Gesunden als auch in denen von MS-Patienten eine pro-inflammatorische Reaktion ähnlich der von LPS auslösen8. Diese Ergebnisse lassen vermuten, dass ATIs Autoimmunkrankheiten bei genetisch veranlagten Personen verschlimmern, wenn nicht sogar auslösen können.

Im Einklang mit dieser Hypothese stellte eine italienische Forschergruppe eine erhöhte Prävalenz von Autoimmunerkrankungen bei Patienten mit NCGS im Vergleich zu gesunden Personen fest. Die häufigste Autoimmunerkrankung unter NCGS-Patienten war dabei Autoimmunthyreoiditis (Hashimoto-Thyreoiditis)9.

Nahrungsmittel Amylase-Tripsin Inhibitoren(immunologische Bioaktivität) Gluten(adaptive immunologische Reaktion)
Weizen, Gerste, Kamut, Dinkel, Emmer hoch (100%) ja
Soja, Buchweizen, Hirse, Tef, Einkorn mittel (<20%) nein(mit Ausnahme von Einkorn)
Linsen, Quinoa, Hafer niedrig (<10%) nein(besonders Hafer nicht)
Amaranth, Reis, Mais, Kartoffeln sehr gering (<2%) nein

Tabelle 1: Amylase-Trypsin-Inhibitoren in unverarbeiteten Pflanzenarten. Aus: Smollich & Vogelreuter (2018), modifiziert nach Zevallos et al. 2017.

Unsere Darmbarriere – Hauptakteur für die Aktivierung des angeborenen Immunsystems?

Wie bei anderen funktionellen Darmerkrankungen wird auch bei der Entstehung von NCGS eine erhöhte Durchlässigkeit des Darms (Leaky Gut) vermutet4.

Wie so häufig stoßen wir hier auf das Henne-Ei-Problem: Eine bereits vorhandene Darmdysbiose schädigt auch die Darmbarriere. Bei einer geschädigten Darmbarriere können ATIs das Darmepithel leicht überwinden und das angeborene Immunsystem aktivieren, wie in der Studie von Prof. Schuppan und Kollegen gezeigt. Die am Anfang dieser Kaskade stehende Darmdysbiose könnte durch einen Mangel an Butyrat-produzierenden Bakterien und das Eindringen von Sauerstoff in das Darmlumen bedingt sein10. (Wusstest Du, dass Du durch die Einnahme von PHGG die Butyrat-Produktion Deiner Bakterien ankurbeln kannst? Mehr dazu hier.)

Umgekehrt gibt es auch Belege dafür, dass ATIs ohne eine bereits gestörte Darmbarriere Darmentzündungen auslösen können11.

Daher sind sowohl die Verringerung der Aufnahme von ATIs als auch die Unterstützung einer gesunden Darmbarriere logische Strategien zur Behandlung von NCGS und den damit verbundenen Symptomen.

“Moment mal – muss ich ganz auf Weizenbrot verzichten?”

Viele Forschungsergebnisse bestätigen die negativen Auswirkungen bestimmter Arten von ATIs auf unsere Gesundheit. Glücklicherweise deuten einige Untersuchungen darauf hin, dass ATI-Proteine zumindest teilweise durch Hitze abgebaut werden. Andererseits können hitzebedingte Veränderungen der Proteinstruktur von Lebensmitteln allergische Teile dieser Proteine freilegen und zu stärkeren Immunreaktionen führen1. Leider fehlt es derzeit noch an gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen über die Auswirkungen von abgebauten ATIs auf unsere Gesundheit.

Was bedeutet das nun für Deine geliebte Scheibe Weizenbrot? Keine Sorge! Es gibt ein paar Dinge, die Du tun kannst, wenn Du unter NCGS leidest und nicht verzichten möchtest.

  • 1. Die richtige Weizenart

    Ältere Weizensorten, insbesondere Einkorn (Triticum monococcum), weisen nachweislich geringere ATI-Konzentrationen und/oder Bioaktivität auf als die meisten anderen Weizensorten11, 12. Zudem kann das gründliche Ausbacken des Brotes dazu beitragen, dass einige der verbleibenden ATIs in diesen speziellen Weizensorten abgebaut werden.

  • 2. Sauerteigbrot

    Eine weitere Möglichkeit, die Menge der ATIs und/oder ihre Bioaktivität zu verringern, ist die Fermentation, wie sie auch beim Sauerteig stattfindet. Untersuchungen haben gezeigt, dass bestimmte Milchsäurebakterien im Sauerteig Enzyme absondern, die ATIs abbauen13, 14. Außerdem werden die eiweißabbauenden Enzyme im Getreide selbst besser aktiviert, wenn der pH-Wert des Sauerteigs unter den Wert von 4 sinkt13, 15, 16. Dies verringert zusätzlich die Entzündungsaktivität von ATIs13.

  • 3. Probiotika

    Obwohl die Forschung bezüglich Probiotika noch in den Kinderschuhen steckt, hat eine erste Studie einige Stämme (Lactobacillus salivarius H32.1, Lactobacillus mucosae D5a1 und Lactobacillus rhamnosus LE3) aufgezeigt, die entzündlichen Wirkungen von ATIs verringern können17. Diese Ergebnisse müssen allerdings noch beim Menschen bestätigt werden. (Unser voriger Blogbeitrag Probiotika – nutzlos oder nützlich könnte Dich auch interessieren!)

Die Kehrseite des Sauerteigs: Polyole

Obwohl durch die Sauerteiggärung der Gehalt an den meisten FODMAPs, Weizenkeim-Agglutinin und ATIs stark reduziert werden kann, kann die Produktion des Zuckeralkohols Mannitol begünstigt werden18. Zusammen mit Sorbitol gehört Mannitol zur FODMAP-Gruppe der Polyole. Wenn Du nicht auf Mannitol, sondern auf andere FODMAPs reagierst, kannst Du höchstwahrscheinlich ohne große Probleme Sauerteigbrot in Deine Ernährung aufnehmen.

Zusammenfassung

Die Auswirkungen von ATIs auf den menschlichen Magen-Darm-Trakt sind noch nicht vollständig erforscht. Die verfügbare Literatur deutet jedoch auf einen negativen Einfluss auf die Integrität der Darmbarriere hin, wodurch Entzündungen des Darms und die damit verbundenen Symptome bei empfindlichen Personen ausgelöst werden. Eine glutenfreie Diät kann bei von NCGS betroffenen Personen zu einer Linderung der Symptome führen.

Es lohnt sich mit Sicherheit, eine glutenfreie Diät oder eine andere der in diesem Artikel genannten Strategien auszuprobieren, wenn bei Dir NCGS diagnostiziert wurde.


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Enzyme für die Verdauung bei funktionellen Darmerkrankungen wie Reizdarm und Co.

Keine Blähungen, Magenkrämpfe oder Bauchschmerzen mehr! Es gibt eine Vielzahl von Enzympräparaten – aber können sie wirklich das halten, was sie versprechen? In diesem Artikel gehen wir auf die Grundlagen der Enzyme und daraus abgeleiteter Präparate ein und stellen Studien vor, die den Einsatz von Verdauungsenzymen bei Reizdarmsyndrom und anderen Verdauungsstörungen untersuchen.

Hinweis: Wie immer sind die Informationen in unserem Artikel von uns selbst recherchiert und geschrieben – ohne Beteiligung von ChatGPT und Konsorten. Viel Spaß beim Lesen!

Was ist überhaupt ein Enzym?

In unserer Branche ist sehr häufig von Verdauungsenzymen die Rede. Doch wofür sind sie da und: brauchen wir sie überhaupt?

Verdauungsenzyme können mit Schlüsseln verglichen werden: Ihre Funktion ist, die in der Nahrung enthaltenen Nährstoffe aufzuschließen, damit der Körper sie aufnehmen kann.

So wie jeder Schlüssel auf ein bestimmtes Schloss passt, spalten Verdauungsenzyme in der Regel nur bestimmte Nährstoffe in kleinere, absorbierbare Moleküle. Diese Eigenschaft macht Enzyme auch für die industrielle Nutzung interessant, zum Beispiel zur Beseitigung von Ölverschmutzungen, zur Herstellung von Arzneimitteln und vielem mehr.

Verdauungs-Enzyme

Verdauungsenzyme und Erkrankungen – wer kann von einer Supplementierung mit Enzymen profitieren?

Grundsätzlich erfordern nur bestimmte Krankheiten eine Supplementierung mit Enzymen. Beispiele sind Pankreatitis (Bauchspeicheldrüsenentzündung), die zu chronischer Pankreasinsuffizienz führen kann, zystische Fibrose oder die Entfernung der Gallenblase. Darüber hinaus kann eine Enzymeinnahme von Vorteil sein, wenn der Bürstensaum des Dünndarms keine ausreichenden Mengen an Laktase produziert, wie bei Laktoseintoleranz der Fall ist1.

Die Einnahme von Verdauungsenzymen kann auch eine große Erleichterung für Menschen sein, die unter Blähungen, Bauchkrämpfen und Völlegefühl aufgrund von Verdauungsstörungen leiden. Diese Symptome treten häufig im Zusammenhang mit funktioneller Dyspepsie (Reizmagen, Reizdarmsyndrom), SIBO (Dünndarmfehlbesiedlung) sowie Krankheiten wie Crohn und Colitis ulcerosa auf2. Interessanterweise wird vermutet, dass eine Pankreasinsuffizienz eine Ursache für SIBO sein kann, da SIBO bei 25-50 % der Patienten mit Pankreasinsuffizienz vorliegt1.

Weiterhin können Menschen, die an der gastroösophagealen Refluxkrankheit (GERD) leiden, von einer Nahrungsergänzung mit Verdauungsenzymen profitieren. GERD-Patienten erhalten häufig Protonenpumpenhemmer (PPI) oder Histamin-H2-Rezeptor-Antagonisten und leiden möglicherweise unter einer verminderten Proteinverdauung aufgrund einer Veränderung des pH-Werts im Magen und einer anschließenden Abnahme der Pepsinaktivität (Pepsin ist ein Verdauungsenzym).

Zu guter Letzt bringt das Altern Veränderungen in der Sekretion von Pankreasenzymen mit sich. Bereits im 3. Lebensjahrzehnt kann die Sekretion von Pankreasenzymen abnehmen3. Daher können Personen mit gastrointestinalen Symptomen ohne Grunderkrankung ab dem 30. Lebensjahr herum von einer Enzymsupplementierung profitieren.

Die verschiedenen Quellen von Verdauungsenzymen

Pankreatin Bauchspeicheldrüse Schwein

Traditionell wird die Enzymersatztherapie mit Pankreatin durchgeführt. Pankreatin ist ein Enzymkomplex, der aus Amylase, Lipase und Protease besteht und so die Verdauung von Kohlenhydraten, Lipiden und Proteinen unterstützt. Dieser Enzymkomplex wird aus der Bauchspeicheldrüse von Schweinen gewonnen. Für diejenigen, die aus religiösen Gründen oder aus Gründen des Tierschutzes kein Schweinefleisch verzehren, kommt Pankreatin daher nicht in Frage. Da die Lipase in Pankreatin außerdem keine Säure verträgt, müssen die Enzyme ummantelt werden, damit sie die Magenpassage “überleben”.

Im Gegensatz dazu sind Enzyme aus mikrobiellen Quellen wie Pilzen und Bakterien in der Regel säuretoleranter, in geringerer Dosierung wirksam und müssen nicht umhüllt werden, um ihre Wirkung in den verschiedenen Teilen des Verdauungssystems zu entfalten4,5.

Wann bietet sich ein Nahrungsergänzungsmittel mit Verdauungsenzymen an?

Im besten Fall überhaupt nicht. Im Vergleich zu oftmals überteuerten Enzympräparaten gibt es günstiger und bessere Strategien zur Behandlung von Verdauungsstörungen. Bevor Du also keine Grundlage  für eine gesunde Verdauung mit guten Routinen geschaffen hast, spare Dir lieber das Geld für Nahrungsergänzungsmittel! (Den Spoiler dazu gibt es ein wenig weiter unten…)

Hier ist eine kleine Liste von Vorschlägen, die Du zuerst ausprobieren solltest, um vorliegende Symptome im Zusammenhang mit der Verdauung zu verbessern:

  • Gründlich kauen

    Nimm’ Dir Zeit, das Essen gründlich zu kauen, denn das kann den Verdauungsprozess unterstützen und Deinen Magen entlasten.

  • Vermeide auslösende Nahrungsmittel

    Nahrungsmittel und Getränke, die Verdauungsstörungen auslösen können, wie fettige oder würzige Speisen, Koffein, Alkohol und kohlensäurehaltige Getränke.

  • Stress reduzieren

    Immer leichter gesagt, als getan, aber: Durch die Aktivierung des sympathischen Nervensystems kann Stress Verdauungssymptome verschlimmern. Die Anwendung von Techniken, die das parasympathische Nervensystem aktivieren, wie z. B. tiefe Atmung, Meditation oder Achtsamkeit, kann zur Linderung der Symptome beitragen.

  • Ausreichend Schlaf

    Schlechter und zu wenig Schlaf steigert den Stresspegel und erhöht die Wahrscheinlichkeit von Reflux und anderen Symptomen

Symptomlinderung bei Reizdarmsyndrom, SIBO, Dyspepsie und GERD – die richtigen Enzyme und Dosierungen sind entscheidend

Bei all den verschiedenen Enzympräparaten auf dem Markt mag es überraschen (oder auch nicht): Es gibt nur eine begrenzte Anzahl von Studien zur Wirkung von einzelnen Enzymen und Enzymmischungen bei den verschiedenen Darmerkrankungen. In diesem Abschnitt stellen wir einige der wichtigsten Ergebnisse aus Studien mit Menschen vor, um Dir verwertbare Erkenntnisse für Deine Auswahl des richtigen Präparats zu geben.

  • Alpha-Galaktosidase

    Beginnen wir mit der α-Galaktosidase. Dieses Enzym hilft uns, ein häufiges FODMAP abzubauen – nämlich Galactooligosaccharide (GOS). Obwohl GOS für ihre präbiotische Wirkung im menschlichen Darm bekannt ist, ist sie bei vielen Patienten mit Reizdarmsyndrom oder SIBO einer der häufigsten Symptomauslöser. Daher könnte die gezielte Unterstützung zum Verdauen von GOS zu Beginn der Behandlung von Reizdarm und SIBO förderlich sein.

    Obwohl α-Galaktosidase in mehreren Enzympräparaten enthalten ist, wird sie oft nicht richtig dosiert. In einer Studie aus dem Jahr 2018 testeten Forscher der Monash-Universität in Australien zwei verschiedene Dosierungen von α-Galaktosidase bei Reizdarmpatienten, die GOS nicht gut vertrugen. Nur eine Dosis von 300 Aktivitätseinheiten war in der Lage, die Symptome ausreichend zu reduzieren, während die Hälfte der Dosis kaum Erleichterung brachte6.

    Eine frühere Studie aus dem Jahr 2007 untersuchte die Reaktion auf entweder 300 oder 1.200 Aktivitätseinheiten α-Galaktosidase nach einer Testmahlzeit von 420 g gekochten Bohnen im Vergleich zu einem Placebo. Die Autoren kamen zu dem Schluss, dass α-Galaktosidase bei Patienten mit blähungsbedingten Symptomen wie übermäßiger Flatulenz nach GOS-reichen Mahlzeiten hilfreich sein kann. Sie stellten fest, dass 1.200 Aktivitätseinheiten die Ausscheidung von Wasserstoff in der Atemluft und Blähungen wirksamer reduzierten als 300 Aktivitätseinheiten, wobei jedoch beide Dosierungen die Gesamtsymptome signifikant verringerten7.

    Da empfindliche Personen nur selten 420 g gekochter Bohnen essen würden, sollte die mittlere Dosis von 300 Aktivitätseinheiten ausreichen, blähungsbedingte Symptome nach einer Mahlzeit wirksam zu reduzieren.

  • Beta-Galaktosidase (Laktase)

    Ein weiteres Enzym, das das Potential für eine Linderung von Symptomen aufweist, ist β-Galaktosidase, also Laktase. Dieses Enzym wird vom Bürstensaum des Dünndarms produziert und hilft uns, Laktose (ein weiteres FODMAP) abzubauen. Viele Patienten mit Reizdarmsyndrom leiden auch an einem durchlässigen Darm (Leaky Gut), was die Laktaseproduktion des Darms negativ beeinflussen kann. Im Allgemeinen wird auch mit zunehmendem Alter weniger Laktase produziert.

    In den meisten Humanstudien wird die Laktasesupplementierung bei tatsächlich laktoseintoleranten Personen getestet. Je nach Beschichtung des Enzyms kann eine Dosierung von bis zu 3.000 Aktivitätseinheiten Laktase beim Verzehr von bis zu 20 g Laktose Linderung verschaffen, so die Forschungsergebnisse8.

  • Protease

    Unverdaute Proteine und größere Peptide können Entzündungsreaktionen hervorrufen, die wiederum den Teufelskreis von Darmentzündungen und erhöhter Durchlässigkeit aufrecht erhalten. Der Grund dafür kann eine geringe Magensäureproduktion, PPI, falsches Kauen, Stress oder ein Mangel an Pankreasenzymen sein. In solchen Fällen kann die Zufuhr von Proteasen – Enzyme, die bei der Verdauung von Proteinen helfen – Linderung verschaffen und diesen Teufelskreis durchbrechen.

    Neben den Bauchspeicheldrüsenproteasen finden sich in Nahrungsergänzungsmitteln (NEMs) mit Verdauungsenzymen auch Proteasen pilzlichen, bakteriellen und pflanzlichen Ursprungs (Papaya und Ananas).

    Obwohl Proteasen vorübergehend die Durchlässigkeit der Darmbarriere erhöhen9,10, können die Proteasen in Bromelain die Barriere der Darmschleimhaut verbessern, wie eine neuere Studie zeigt10. Darüber hinaus hat sich gezeigt, dass Bromelain die Dysmotilität (unzureichende Magenbewegung) verbessert, die mit der Pankreasinsuffizienz verbundenen Symptome lindert und die Zusammensetzung des Darmmikrobioms sowie die Produktion kurzkettiger Fettsäuren verbessert10. Bromelain und auch Papain sind daher häufige Quellen von Proteasen in NEMs.

    Pilz- oder bakterielle Proteasen sind ebenfalls häufig in NEMs enthalten. Sie sind unter sauren Bedingungen stabil und werden in Varianten gefunden, die in verschiedenen pH-Bereichen wirksam sind. Die optimale Dosierung dieser Proteasen ist derzeit jedoch umstritten.

  • Lipase

    Ein weiteres wichtiges Verdauungsenzym ist Lipase. Dieses Enzym wird normalerweise von der Bauchspeicheldrüse produziert und hilft uns, Fette zu verdauen. Es hat sich gezeigt, dass eine Dosierung von 1.000 Aktivitätseinheiten die Fettverdauung in vitro (außerhalb eines Organismus getestet) signifikant unterstützt4.

    Bei Patienten mit RDS-D (diarrhöisch dominiertes Reizdarmsyndrom) wurden bei einer Untergruppe von Patienten niedrige Elastase-1-Werte (unter 100 µg/g) festgestellt, was auf eine Pankreasinsuffizienz hinweist11. Interessanterweise führte unter RDS-D-Patienten eine Supplementierung mit Pankreaslipase zu einer signifikanten Linderung der Symptome bei Patienten mit niedrigen Elastase-1-Werten12.

    Einige Daten deuten jedoch darauf hin, dass Lipase nicht der Hauptverursacher der gastrointestinalen Symptome nach einer Mahlzeit ist. Da in diesen Studien Enzymkomplexe verwendet wurden, die entweder sehr geringe Mengen säurestabiler Lipasen oder unbeschichtete Pankreaslipase enthielten, die im Magen in hohem Maße abgebaut wird, wird vermutet, dass die erfahrene Symptomlinderung durch diese Enzymmischungen auf andere Enzyme als Lipase zurückzuführen ist. Daraus lässt sich schließen, dass eine komplexe Mischung von kohlenhydratabbauenden Enzymen für eine Symptomlinderung von Bedeutung ist11.

  • Phytase

    Einige der in Getreide und anderen pflanzlichen Quellen enthaltenen Mineralien werden durch Phytat gebunden. Phytat bindet bspw. Kalzium, Eisen und Zink. Mit Hilfe des Enzyms Phytase können die von Phytat gebundenen Mineralien freigesetzt und absorbiert werden13. (Daher kommt auch die Hypothese, dass der Mineralstoffmangel in vielen Entwicklungsländern auf die Abhängigkeit von Getreide zurückgeführt werden kann.)

  • Xylanase

    Xylane sind komplexe Kohlenhydrate, die mit Hilfe des Enzyms Xylanase abgebaut werden können. Durch die enzymatische Spaltung von Xylanen werden kürzere Ketten gebildet, die als Xylooligosaccharide bekannt sind. Diese sind intensiv auf ihre präbiotische Wirkung hin untersucht worden. So kann eine Supplementierung mit Xylanase dazu beitragen, den nützlichen Darmbakterien mehr der wichtigen Präbiotika bereit zu stellen.

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  • Glukose-Isomerase

    Menschen, die unter Fruktoseintoleranz leiden, kann Glukose-Isomerase Lebensqualität zurückbringen. Mit einer magensäureresistenten Beschichtung kann dieses Enzym in den Dünndarm transportiert werden, wo es unverdaute Fruktose in Glucosemoleküle umwandelt.

  • Enzymmischungen

    Bei einer Gruppe von Patienten mit funktioneller Dyspepsie konnte eine Mischung aus fünf mikrobiellen Enzymen, darunter Protease, Lipase, Amylase, Cellulase und Laktase, die dreimal täglich über einen Zeitraum von 60 Tagen eingenommen wurde, die gastrointestinalen Symptome im Vergleich zu einem Placebo deutlich verringern.

    Die Interventionsgruppe umfasste achtzehn Teilnehmer, während die Placebogruppe neunzehn Teilnehmer umfasste. Interessanterweise berichteten fünf Patienten in der Placebogruppe über starke Magenschmerzen, Blähungen und Schmerzen beim Stuhlgang während der Studie; in der Behandlungsgruppe traten keine derartigen Symptome auf. Die Autoren kamen zu dem Schluss, dass diese Symptome in keinem Zusammenhang mit dem Placebo standen, sondern als Beweis für die Wirksamkeit der Enzymmischung gewertet werden konnten. Die Symptomwerte in der Behandlungsgruppe nahmen über den Studienverlauf allmählich ab und waren am Ende der Studie am niedrigsten. Eine längere Einnahme scheint daher vorteilhafter zu sein14.

    Eine Mischung aus denselben Enzymen plus als Zusatz Kalzium zeigte in einer größeren randomisierten, kontrollierten klinischen Studie ebenfalls eine signifikante Verringerung der Dyspepsiesymptome im Vergleich zu einem Placebo. Die Enzymmischung wurde zwei Monate lang zweimal täglich vor den Hauptmahlzeiten eingenommen15. Da Kalzium bekanntermaßen die normale Funktion der Verdauungsenzyme unterstützt, lässt sich vermuten,dass Kalzium additive oder synergistische Wirkungen der Enzyme entfaltet.

    Eine andere Enzymmischung, die Pankreatin tierischen Ursprungs sowie Cellulase, Protease und Amylase pilzlichen Ursprungs enthält, wurde zwei Wochen lang nach den Mahlzeiten eingenommen. Bei Patienten mit Dyspepsie verringerten sich Symptome wie Appetitlosigkeit, Blähungen, Aufstoßen, Durchfall, Bauchschmerzen und epigastrisches Brennen im Vergleich zu einem Placebo ebenfalls deutlich16. (Aufgrund des in dieser Mischung enthaltenen Pankreatins für Vegetarier und für Menschen, deren Religion den Verzehr von Schwein verbietet, allerdings nicht geeignet.)

Wirkung von Verdauungsenzymen auf die Darmmikrobiota

Da sich bei MIBIOTA alles um das Mikrobiom dreht, wäre dieser Artikel unvollständig, wenn wir nicht die Auswirkungen von NEMs mit Verdauungsenzymen auf die Darmmikrobiota untersuchen würden. Es gibt nur eine begrenzte Anzahl von Studien, die bisher genau dies untersuchen.

Es ist bekannt, dass eine eingeschränkte Funktion der Bauchspeicheldrüse das Darmmikrobiom erheblich verändert17,18. Diese Veränderungen können angeborene Immunreaktionen auslösen, die die Funktion der Bauchspeicheldrüse weiter beeinträchtigen.

In einer Studie aus dem Jahr 2018 stellte eine Gruppe von Forschern die Hypothese auf, dass eine Pankreatin-Supplementierung die Zusammensetzung des Mikrobioms und die Funktion der Bauchspeicheldrüse bei Mäusen verbessern könnte. Tatsächlich beobachteten sie ein Wachstum von Bakterien wie Akkermansia muciniphila und Lactobacillus reuteri, die bekanntermaßen ein gesundes Darmmilieu fördern, sowie eine Verringerung von entzündungsfördernden Bakterien19. Wir warten derzeit darauf, dass Studien an Menschen diese Hypothese bestätigen.

Zeitpunkt für die Einnahme von Verdauungsenzymen

In den oben beschriebenen Studien erfolgte die Supplementierung mit den Enzymen bzw. den Enzymmischungen zu unterschiedlichen Zeiten und Zeitpunkten. Die meisten Studien verfolgen die Strategie, unmittelbar vor oder mit Beginn einer Mahlzeit zu supplementieren. Wir würden dies ebenfalls empfehlen. Bei langen Mahlzeiten mit mehreren Gängen kann es notwendig sein, zweimal oder öfter zu supplementieren, je nach Dosierung der Enzyme und der Dosis der Präparate.

Wichtigste Erkenntnisse

  • Verdauungsenzyme, die den Abbau von häufig vorkommenden FODMAPs wie GOS und Laktose unterstützen, müssen richtig dosiert werden
  • Die Dauer der Enzymsupplementierung kann das Ausmaß der Symptomlinderung bestimmen
  • Die Einnahme von Verdauungsenzymen kann Menschen mit Reizdarmsyndrom, SIBO, GERD, funktioneller Dyspepsie, Leaky Gut, Nahrungsmittelunverträglichkeiten und Darmentzündungen helfen

Zusammenfassung

Bei der Nahrungsergänzung mit Verdauungsenzymen ist die Art und Dosierung der verschiedenen Enzyme entscheidend für eine optimale Wirkung. Außerdem kann sich die Dauer der Enzymergänzung auf den Erfolg der Behandlung auswirken. Bei einigen Erkrankungen kann eine lebenslange Supplementierung erforderlich sein. Bei Verdauungsstörungen wie funktioneller Dyspepsie, GERD, Reizdarmsyndrom, SIBO sowie im Alter und bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen kann eine zweimonatige Supplementierung bereits ausreichen.

Für Vegetarier und aus religiösen Gründen (kein Schwein) bleibt die Einnahme von Enzymen pflanzlichen, pilzlichen und bakteriellen Ursprungs.

10. April 2024


Referenzen (Englisch)

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Probiotika – nutzlos oder nützlich?

Im Jahr 2018 veröffentlichten Wissenschaftler des Weizmann-Instituts zwei bahnbrechende Studien. Diese Studien werfen seitdem Bedenken hinsichtlich der Sicherheit und des Nutzens von Probiotika, die zusammen mit Antibiotika oder nach deren Verabreichung eingenommen werden, auf.

In diesem Beitrag greifen wir die wichtigsten Eckpunkte aus den beiden Studien auf und ordnen sie vor dem Hintergrund früherer und jüngster Erkenntnisse ein.

Probiotika weiter auf dem Vormarsch

Der Markt für Probiotika ist nach wie vor im Aufwind. Viele Heilpraktiker und Ärzte empfehlen ihren Patienten Nahrungsergänzungen mit lebenden Bakterien (Probiotika). Die meisten Produkte versprechen irgendeine Art von gesundheitlichem Nutzen, wie ein gesteigertes Wohlbefinden, eine bessere Verdauung, weniger Durchfall, weniger Blähungen oder eine allgemein verbesserte Darmgesundheit. 

Doch erweisen Ärzte, Heilpraktiker sowie weitere Angehörige der Heilberufe den Betroffenen tatsächlich einen Gefallen? Wie bei so vielen Fragen gibt es auch auf diese Frage kein klares Ja oder Nein, sonder: Es kommt darauf an.

»Probiotika sind lebende Mikroorganismen, die dem Menschen einen gesundheitlichen Vorteil bringen, wenn sie in ausreichender Menge aufgenommen werden«

Quelle: Definition der WHO/FHO 2001

Die gute Nachricht: diese allgemeingültige Antwort können wir mit wissenschaftlichen Erkenntnissen konkretisieren. In unserem Artikel konzentrieren wir uns auf die Einnahme von Probiotika zusammen mit oder nach der Einnahme von Antibiotika.

Einnahme von Antibiotika und Probiotika

Vielleicht hast Du als Patient schon einmal ein probiotisches Präparat zusammen mit einem Antibiotikum empfohlen bekommen – oder es als Arzt verschrieben? Bspw. bei einer Halsentzündung oder einer Harnwegsinfektion? Ziel der Behandlung mit Probiotika während oder nach der Antibiotikaeinnahme kann sein, antibiotikabedingte Symptome wie Krämpfe, Durchfall oder Verstopfung zu lindern1. In anderen Fällen geht es darum, die Mikrobiota, also die Bakterien und andere Mikroorganismen im Darm, wieder ins Gleichgewicht zu bekommen. Obwohl das letztgenannte Ziel ein guter Ansatz ist, stellen sich Probiotika vielleicht nicht als die beste Wahl heraus. Warum aber kombinieren viele Heilberufler Antibiotika und Probiotika?

Um dieser Frage nachzugehen, müssen wir uns mit den Vorteilen von Probiotika und den dahinter stehenden Behauptungen befassen, dass Probiotika eine Dysbiose (Ungleichgewicht der Darmflora) beheben können. Wir werfen dafür einen Blick in die verfügbare Literatur und schauen, ob die genannte Behauptung einer wissenschaftlichen Überprüfung standhalten.

Zunächst möchten wir darauf hinweisen, dass Antibiotika lebensrettend sein können und bei der Bekämpfung bakterieller Krankheitserreger sehr wichtig sind. Allerdings verursachen sie oft große Kollateralschäden an unseren kommensalen Darmbakterien, die uns vor der Besiedlung durch Krankheitserreger schützen2. Forscher fanden heraus, dass es viele Monate dauern kann, bis sich das menschliche Mikrobiom von einer einzigen Antibiotikaeinnahme erholt hat, und selbst danach kann die Erholung unvollständig sein3,4

Vorteile der Kombination Probiotika/Antibiotika

Nachdem wir einige belastbare Studien unter die Lupe genommen haben, können wir folgendes festhalten:

  • Einige Probiotika wirken synergistisch mit Antibiotika und helfen, Infektionen zu beseitigen5.
  • Probiotika können Nebenwirkungen von Antibiotika, einschließlich Antibiotika-assoziierter Diarrhöe, verringern1.
  • Probiotika verringern die Wahrscheinlichkeit von C. difficile-Infektionen bei Patienten, die langfristig Antibiotika einnehmen6.

Wirkmechanismen von Probiotika bei einer Dysbiose

Um auf eine Dysbiose positiv einzuwirken, bedienen sich Probiotika der folgenden Wirkmechanismen:

  • Blockieren der Anheftungsstellen von Krankheitserregern im Darm – auch bekannt als kompetitive Adhärenz;
  • Abtöten von Krankheitserregern durch antimikrobielle Verbindungen;
  • Zerstören von Toxinen durch Proteasen (Protein abbauende Enzyme);
  • Modulation des Immunsystems;
  • Modulation der Darmmikrobiota – auch bekannt als kompetitiver Ausschluss7.

Beweislage für Probiotika in Kombination mit Antibiotika

Im Jahr 2014 veröffentlichte Lynne McFarland eine systematische Übersicht, in der sie den Hinweisen nachging, dass Probiotika die Mikrobiota nach einer Antibiotikatherapie wiederherstellen8. Obwohl einige der Hinweise auf den ersten Blick vielversprechend aussehen, ergibt sich bei näherer Betrachtung ein differenzierteres Bild.

Bevor wir zu dieser Differenzierung kommen, möchten wir kurz ein wenig ausholen. Eine Untersuchung der Bakterien in unserem Darm kann auf vielerlei Weise erfolgen. Oft ergibt eine Kombination unterschiedlicher Ansätze das kompletteste Bild. Die folgenden Untersuchungsmethoden kommen in der Regel zum Einsatz:

  • Züchten und untersuchen einer Kultur;
  • 16s-Sequenzierung;
  • Shotgun-Sequenzierung.

Viele der Bakterien in unserem Darm lassen sich nicht kultivieren. Das liegt vor allem an ihrer extremen Empfindlichkeit gegenüber Sauerstoff. Daher liefert diese Methode kein zuverlässiges Bild des Zustands der Darmmikrobiota.

Probiotische Lebensmittel

Ahnst Du schon, worauf wir hinauswollen? Die meisten Studien, die in McFarlands Übersichtsarbeit berücksichtigt wurden, verwendeten Bakterienkulturen zur Untersuchung der Mikrobiota sowohl vor als auch nach einer Antibiotika- und Probiotikatherapie. Darüber hinaus hatten die Mehrheit der Studien, die eine Wiederherstellung der Mikrobiota versprachen, eine sehr geringe Teilnehmerzahl. Zudem wurden die meisten Probiotika nur in einer einzigen Studie untersucht oder zeigten von einer Studie zur nächsten unterschiedliche Ergebnisse. Zu guter Letzt liegt ein weiterer Schwachpunkt in McFarlands Arbeit, dass die Überprüfung der Studien von ihr allein durchgeführt wurde; dies entspricht nicht den wissenschaftlichen Standards.

Da die meisten von McFarland betrachteten Studien keine oder nur eine sehr kurze Nachbeobachtungszeit hatten und aufgrund der Kultivierung kein vollständiges Bild des Mikrobioms ergeben, sollte von konkreten therapeutischen Empfehlungen auf Grundlage allein dieser Studie abgesehen werden. Vor allem, weil wir mittlerweile über neuere und bessere Instrumente zur Erstellung von Mikrobiomprofilen verfügen. 

Sehen wir uns jetzt die interessanten Ergebnisse der Studien des Weizmann-Instituts aus dem Jahr 2018 an, die die Probiotikabranche in Aufruhr versetzte.

Studie: Probiotika verzögern Erholung des Mikrobioms

In der ersten Studie des Weizmann-Instituts9 nahmen die Forscher Proben von Kot, Darmlumen (der freie, normalerweise mit Speisebrei oder Stuhl ausgefüllte Raum innerhalb der Darmschlingen) und Darmschleimhaut von Mäusen und Menschen. Anschließend verabreichten sie sowohl Mäusen als auch Menschen Probiotika, um zu sehen, was mit ihrem Mikrobiom geschah. Hier die Ergebnisse:

Ergebnis #1

Das fäkale Mikrobiom (Stuhlproben) spiegelt nicht die Gesamtheit des Darmmikrobioms wider

Das anhand von Stuhlproben gemessene fäkale Mikrobiom entspricht bei weitem nicht dem wahren Mikrobiom, das sich im gesamten Verdauungstrakt befindet. Bei den menschlichen Teilnehmern stellte sich heraus, dass mehr als 10 Bakterientaxa (Gattungen, Arten) in den Stuhlproben im Vergleich zu Proben des Darmlumens oder der Darmschleimhaut entweder deutlich über- oder unterrepräsentiert waren.

Ergebnis #2

Probiotika sorgen nicht für eine stabile Besiedlung des Darms bei Mäusen

Das ergab eine vierwöchige Supplementierung mit einem Probiotikum mit 5 Milliarden KBE (koloniebildenden Einheiten), das aus den folgenden Stämmen bestand:

Lactobacillus acidophilus, Lactobacillus casei, Lactobacillus casei subsp. paracasei, Lactobacillus plantarum, Lactobacillus rhamnosus, Bifidobacterium longum, Bifidobacterium bifidum, Bifidobacterium breve, Bifidobacterium longum subsp. infantis, Lactococcus lactis, Streptococcus thermophilus.

                    Die Forscher fanden keine Anzeichen für eine probiotische Besiedlung im Darmlumen oder in der Darmschleimhaut des oberen oder unteren Verdauungstrakts. Allerdings fanden sie eine Veränderung des Mikrobioms des unteren Verdauungstrakts.

                    Ergebnis #3

                    Bei Mäusen verhindert das normale Mikrobiom eine weitgehende Besiedlung mit Bakterien – trotz täglicher Probiotikaeinnahme

                    Die Forscher testeten die Hypothese, ob das normale Mikrobiom die Kolonisierungsresistenz fördert. Dafür verabreichten sie Mäusen, die in einer keimfreien und sterilen Umgebung lebten, das oben genannte Probiotikum mit 11 Stämmen. Da die so untersuchten “keimfreien” Mäuse im Vergleich zu den bereits oben erwähnten normalen Mäusen eine massive Kolonisierung aufwiesen, kann dieses Experiment die Hypothese der Forscher bestätigen.

                    Ergebnis #4

                    Die Besiedlung durch Probiotika beim Menschen ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich

                    Da die Ergebnisse bei Mäusen nicht ohne Weiteres auf Menschen übertragen werden können, rekrutierten die Forscher als nächstes 15 gesunde Teilnehmer, die das oben erwähnte Probiotikum oder ein Zellulose-Placebo erhielten.

                    Die Forscher stellten fest, dass sechs der 15 Teilnehmer eine signifikante Besiedlung der Darmschleimhaut mit Probiotika aufwiesen. Neun der 15 Teilnehmer wiesen keine solche Anreicherung der probiotischen Stämme in der Darmschleimhaut auf. Darüber hinaus konnte nur einer der 11 Stämme signifikant in der Darmschleimhaut nachgewiesen werden.

                    Trotz dieser Besiedlung stellten die Forscher keine statistische Veränderung des Darmmikrobioms des oberen oder unteren Verdauungstrakts fest, als die 15 Teilnehmer untersucht wurden.

                    Ergebnis #5

                    Probiotika verzögern die Wiederherstellung des normalen Mikrobioms nach der Einnahme von Antibiotika

                    In der nächsten Studie11 untersuchten die Forscher, wie gut sich das Mikrobiom nach der Einnahme von Antibiotika erholt – sowohl mit als auch ohne Probiotika. Zwar gibt es zahlreiche Hinweise dafür, dass Probiotika bei der Vorbeugung von Antibiotika-assoziierter Diarrhö hilfreich sein können1. Die langfristigen Auswirkungen einer Probiotikaeinnahme nach der Behandlung mit Antibiotika waren bis dato unbekannt.

                    Dafür behandelten die Forscher am Weizmann-Institut sowohl Mäuse als auch eine Gruppe von 21 gesunden Teilnehmern mit Iprofloxacin und Metronidazol, zwei Breitbandantibiotika. Die Mäuse wurden 14 Tage lang und die Menschen 7 Tage lang behandelt. Anschließend wurden sowohl die Mäuse als auch die Menschen in drei Gruppen aufgeteilt:

                    • Gruppe 1: Spontane Erholung – keine Intervention;
                    • Gruppe 2: Probiotische Nahrungsergänzung (11 Stämme);
                    • Gruppe 3: Autologe fäkale Mikrobiota-Transplantation (aFMT) – der Darm der Teilnehmer wurde mit ihren eigenen Fäkalien geimpft, die vor der Antibiotikabehandlung gesammelt worden waren.

                    Ähnlich wie bei dem Experiment mit keimfreien Mäusen zeigten die mit Antibiotika behandelten Mäuse eine leicht verbesserte probiotische Besiedlung. Im Vergleich dazu wiesen jedoch die Menschen, die nach der Antibiotikabehandlung mit Probiotika behandelt wurden, eine signifikante Besiedlung der Darmschleimhaut des Ileums (die letzten etwa 60 % des Dünndarms) und des Dickdarms auf.

                    Eine verwandte, aber vielleicht wichtigere Erkenntnis war, dass die Probiotika-Behandlung den Erholungsprozess des normalen Mikrobioms verzögerte. Die Antibiotika-induzierte Dysbiose blieb sogar noch 5 Monate nach Absetzen der probiotischen Behandlung bestehen.

                    In der Zwischenzeit waren die signifikanten Unterschiede in der Zusammensetzung der fäkalen Mikrobiota im Vergleich zum Ausgangswert in Gruppe 1 nach 21 Tagen nach der Antibiotika-Behandlung verschwunden.

                    Ergebnis #6

                    Besonders der probiotische Stamm Lactobacillus verhinderte die Erholung des Mikrobioms

                    Als nächstes untersuchten die Forscher, welche Bakteriengattungen des Probiotikums das menschliche Mikrobiom am stärksten hemmten. Indem sie Kulturen der verschiedenen Gattungen zu Kulturen frischer menschlicher fäkaler Mikrobiota hinzufügten, fanden die Forscher heraus, dass Lactobacillus die Diversität der Mikrobiota deutlich reduzierte und die Struktur der Mikrobiota veränderte.

                    Ergebnis #7

                    Wiederherstellung des Mikrobioms am schnellsten bei autologer fäkaler Mikrobiota-Transplantation

                    Die Forscher hatten vor der Einnahme der Antibiotika von allen Teilnehmern Stuhlproben genommen. In Gruppe 3 wurde der eigene Stuhl der Teilnehmer als autologes fäkales Mikrobiota-Transplantat (aFMT) verwendet. Interessanterweise erreichten die Teilnehmer der Gruppe 3 eine schnelle (1 Tag!) und nahezu vollständige Wiederherstellung des Mikrobioms der Darmschleimhaut.

                    Anders als bei der Einnahme eines Probiotikums stellte die aFMT auch mehrere Schlüsselarten wie Alitipes shahii, Roseburia intestinalis und Coprococcus spp. wieder her.

                    Sind Probiotika nach einer Antibiotikaeinnahme schädlich?

                    Obwohl die Ergebnisse der oben genannten Studien die Wirksamkeit und den Nutzen von Probiotika, die nach Antibiotika eingenommen werden, in Frage stellen, müssen zwei Faktoren berücksichtigt werden. In den Studien wurde nur eine bestimmte Gruppe von Probiotikastämmen untersucht. Andere Kombinationen, mit Ausnahme von Lactobacillus, hätten zu anderen Ergebnissen führen können. Die Untersuchungen wurden an gesunden Erwachsenen durchgeführt und lassen sich nicht ohne Weiteres auf Kinder sowie ältere oder kranke Patienten übertragen.

                    Wie bereits erwähnt, wurde in einer systematischen Übersichtsarbeit festgestellt, dass Probiotika zur Vorbeugung von Antibiotika-assoziierter Diarrhö (AAD) beitragen können1. Bei Betrachtung der Daten der Meta-Analyse dieser Studie wird jedoch deutlich, dass man 13 Patienten mit Probiotika behandeln müsste, um bei einem Patienten Durchfall zu vermeiden. Dabei würde man riskieren, die Erholung des Mikrobioms aller 13 Patienten zu verzögern. Betrachtet man die verschiedenen in der systematischen Übersichtsarbeit untersuchten Probiotika, so wird erneut deutlich, dass Lactobacillus- und Bifidobacterium-haltige Probiotika das Risiko von AAD nicht so stark senken wie Saccharomyces und Bacillus.

                    Antibiotika und die Einnahme von Probiotika

                    Eine weitere systematische Übersichtsarbeit aus dem Jahr 2017 untersuchte die Wirkung einer Probiotika-Supplementierung zur Verringerung des C.difficile-Risikos bei Krankenhauspatienten, die Antibiotika einnahmen. Die Meta-Analyse attestierte Probiotika, die innerhalb von zwei Tagen nach Beginn der Antibiotikagabe verabreicht werden, eine gewisse Wirksamkeit – allerdings müssten demnach durchschnittlich 43 Personen behandelt werden, um bei einer dieser Personen C.difficile zu vermeiden.

                    Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die potenziellen negativen Auswirkungen (verlangsamte Erholung der Mikrobiota) von Probiotika nach der Einnahme von Antibiotika die potenziellen Vorteile überwiegen. Dies gilt besonders für Probiotika der Gattung Lactobacillus. Für die Stämme S. boulardii und Bacillus kann das Ergebnis allerdings anders ausfallen. 

                    Übrigens: Inwieweit der Stamm Bacillus dazu beitragen kann, C.difficile-Infektionen nach der Einnahme von Antibiotika zu verhindern, ohne die normale Mikrobiota zu stören, wurde kürzlich an Mäusen untersucht12. Bisher sehen die Ergebnisse vielversprechend aus.

                    Vielversprechender Ansatz: Wiederherstellung der ökologischen Zusammensetzung des Darmmikrobioms

                    Antibiotika stören das normale Mikrobiom, so dass es sich in einem Zustand der Dysbiose befindet. Ein Symptom einer solchen Dysbiose ist die Ausbreitung von Enterobacteriaceae und die Verarmung der Produzenten der kurzkettigen Fettsäure Butyrat.

                    In einer Reihe verschiedener Experimente fanden der Forscher Andreas Bäumler und seine Kollegen heraus, dass die Wiederherstellung eines anaeroben (sauerstoffarmen) Milieus im Darm zum Wiederaufbau des Darmmikrobioms beitragen kann13. Durch die Zugabe von Tributyrin konnten die Forscher den Energiestoffwechsel der Darmzellen erhöhen und die Zusammensetzung des Mikrobioms wieder verbessern14. Mit anderen Worten: Die ökologischen Bedingungen des Darms wurden vollständig wiederhergestellt.

                    Zusammenfassung

                    In Anbetracht der in diesem Artikel analysierten Studien scheint derzeit das Risiko, die Erholung der Mikrobiota durch die Einnahme von Probiotika zu verzögern, den Nutzen der Probiotika zu überwiegen. Vielversprechende Kandidaten unter den probiotischen Stämmen scheinen momentan S. boulardii und Bacillus zu sein. Um dies zu bestätigen, sind zuerst weitere Studien mit Menschen erforderlich.

                    Ein Ansatz zur ökologischen Wiederherstellung der Darmhomöostase in Form einer autologen fäkalen Mikrobiota-Transplantation oder durch die Supplementierung mit Tributyrin sind ebenso vielversprechend. Sie bieten sich schon jetzt zur Wiederherstellung des Darmmikrobioms während oder nach der Einnahme von Antibiotika an.


                    Referenzen (Englisch)

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                    9. Zmora N, Zilberman-Schapira G, Suez J, Mor U, Dori-Bachash M, Bashiardes S, mfl. Personalized Gut Mucosal Colonization Resistance to Empiric Probiotics Is Associated with Unique Host and Microbiome Features. Cell. september 2018;174(6):1388-1405.e21.
                    10. Ohland CL, MacNaughton WK. Probiotic bacteria and intestinal epithelial barrier function. Am J Physiol-Gastrointest Liver Physiol. juni 2010;298(6):G807–19.
                    11. Suez J, Zmora N, Zilberman-Schapira G, Mor U, Dori-Bachash M, Bashiardes S, mfl. Post-Antibiotic Gut Mucosal Microbiome Reconstitution Is Impaired by Probiotics and Improved by Autologous FMT. Cell. september 2018;174(6):1406-1423.e16.
                    12. Larsen IS, Chenaux M, Collins FWJ, Mandic A, Hansen LBS, Lauridsen CAS, mfl. Bacillus velezensis DSM 33864 reduces Clostridioides difficile colonization without disturbing commensal gut microbiota composition. Sci Rep. 11. september 2023;13(1):14941.
                    13. Byndloss MX, Olsan EE, Rivera-Chávez F, Tiffany CR, Cevallos SA, Lokken KL, mfl. Microbiota-activated PPAR-γ signaling inhibits dysbiotic Enterobacteriaceae expansion. Science. 11. august 2017;357(6351):570–5.
                    14. Rivera-Chávez F, Zhang LF, Faber F, Lopez CA, Byndloss MX, Olsan EE, mfl. Depletion of Butyrate-Producing Clostridia from the Gut Microbiota Drives an Aerobic Luminal Expansion of Salmonella. Cell Host Microbe. april 2016;19(4):443–54.

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                    Mythen und Missverständnisse über das menschliche Mikrobiom

                    Die Erforschung des Mikrobioms hat in den letzten zwei Jahrzehnten einen rasanten Aufschwung erlebt. Das menschliche Mikrobiom wird mittlerweile als Ursache oder potenzielle therapeutische Lösung für ein breites Spektrum von Krankheiten gesehen, darunter auch funktionelle Störungen des Darms wie Reizdarmsyndrom, SIBO (Dünndarmfehlbesiedlung) und vieles mehr.

                    Angesichts des Potentials des menschlichen Mikrobioms für unsere Gesundheit ist es von entscheidender Bedeutung, dass Behauptungen auf Beweisen beruhen. Wir möchten in diesem Blogbeitrag hartnäckige oder aufkommende Mikrobiom-Mythen und Fehleinschätzungen beleuchten und sie faktisch einordnen.

                    Mythos #1: “Mikrobiomforschung ist ein neues Feld”

                    Die Mikrobiomforschung ist – auch wenn sie vor allem wegen der Fortschritte in der Gensequenzierung an Geschwindigkeit gewonnen hat – kein wirklich neues Feld.

                    In der Tat gibt es seit mindestens dem späten neunzehnten Jahrhundert eine reiche Geschichte der Erforschung von Mikroorganismen, die mit dem Menschen in Verbindung stehen. Escherichia coli wurde erstmals 1885 isoliert1, Bifidobakterien wurden 1899 beschrieben2 und Metchnikoff spekulierte in den frühen 1900er Jahren über die Bedeutung nützlicher Darmmikroorganismen3. Auch Konzepte wie die Darm-Hirn-Achse werden seit Jahrhunderten erforscht4, und über die gesundheitlichen Auswirkungen wichtiger mikrobiomassoziierter Metaboliten wie kurzkettiger Fettsäuren wurde erstmals vor mehr als 40 Jahren berichtet5.

                    Mythos #2: “Es gibt 1012 Bakterienzellen pro Gramm menschlicher Fäkalien”

                    Die tatsächliche Anzahl ist immer noch schwindelerregend hoch.

                    Die oben genannte Zahl wird in der Mikrobiom-Literatur häufig genannt, aber ihre Quelle ist schwer zu ermitteln. Die tatsächliche Zahl, die mit verschiedenen Methoden ermittelt wurde, liegt in der Regel zwischen 1010 und 1011 mikrobiellen Zellen pro nassem Gramm Fäkalien6, 7, 8.

                    Mythos #3: “Die menschliche Mikrobiota wiegt 1 bis 2 kg”

                    Der größte Teil der menschlichen Mikrobiota befindet sich im Dickdarm, und diese Mikroorganismen machen in der Regel weniger als die Hälfte des Gewichts der fäkalen Feststoffe aus9. Der durchschnittliche menschliche Stuhl wiegt weniger als 200 g (Nassgewicht)10.

                    Abgesehen vielleicht von den seltenen Fällen von Verstopfung mit extrem verdichteter Stuhlmasse im Dickdarm, dürfte das Gesamtgewicht der menschlichen Mikrobiota eher unter 500 g liegen, in manchen Fällen vielleicht sogar deutlich darunter.

                    Mythos #4: “Die Mikrobiota übertrifft die menschlichen Zellen im Verhältnis 10:1”

                    Detailliertere Analysen zeigen immer noch eine beeindruckende Zahl.

                    Das tatsächliche Verhältnis liegt wahrscheinlich eher bei 1:1. Es sei darauf hingewiesen, dass dieses Verhältnis von Person zu Person variiert und von Faktoren wie der Körpergröße des Wirts und der Menge an Fäkalien, die er in seinem Dickdarm mit sich führt, abhängig ist11. Die derzeitigen Schätzungen beruhen auch weitgehend auf Beobachtungen von erwachsenen Personen, die in urbanisierten Ländern mit hohem Einkommen leben. Umfassendere Schätzungen erfordern die Untersuchung von Personen aus einkommensschwächeren oder ländlichen Gegenden und auch über den gesamten Lebensverlauf hinweg12.

                    Mythos #5: “Die Mikrobiota wird bei der Geburt von der Mutter vererbt”

                    Die direkte “Vererbung” von der Mutter bei der Geburt spielt eher eine geringe Rolle bei der Entwicklung der individuellen Mikrobiota.

                    Obwohl einige Mikroorganismen während der Geburt direkt von der Mutter auf das Kind übertragen werden12, 13, sind verhältnismäßig wenige Mikrobiota-Spezies wirklich “vererbbar” und verbleiben von der Geburt bis zum Erwachsenenalter im Nachwuchs11, 14.

                    Tatsächlich findet der größte Teil der Diversität der Darmmikrobiota nach der Geburt, in den ersten Lebensjahren, statt und nimmt nach der Entwöhnung am stärksten zu15. Jeder Erwachsene hat am Ende eine einzigartige Mikrobiota-Konfiguration – selbst eineiige Zwillinge, die im selben Haushalt aufwachsen16. Obwohl der Aufbau der Mikrobiota noch nicht vollständig geklärt ist, scheinen die Mikrobiota im Erwachsenenalter in erster Linie durch frühe Umwelteinflüsse sowie zahlreiche andere Faktoren wie Ernährung, Antibiotikatherapie und Wirtsgenetik geformt zu werden.

                    Mythos #6: “Die meisten Krankheiten sind durch ein Pathobiom gekennzeichnet”

                    “Pathobiom” ist lose definiert als schädliche Wechselwirkungen zwischen Mikrobiomen und ihrem Wirt, die zu Krankheiten führen.

                    Dieser Begriff ist leider zu stark vereinfacht und von Natur aus fehlerhaft. Mikroorganismen und ihre Stoffwechselprodukte sind weder “gut” noch “böse”, sie existieren einfach. Ihre Auswirkungen auf uns als Wirte sind stark vom Kontext abhängig. Mikroorganismen oder Stoffwechselprodukte, die in einem Kontext schädlich sind, können in einem anderen keinen Schaden anrichten. So kann beispielsweise Clostridioides difficile ein Leben lang asymptomatisch verlaufen und erst im höheren Alter Probleme verursachen, wenn der Wirt immungeschwächt ist und mit Antibiotika behandelt wird17. Ähnlich kann ein E. coli-Stamm im Dickdarm relativ harmlos sein, aber eine Harnwegsinfektion verursachen, wenn er in die Harnröhre eindringt18.

                    Es stimmt jedoch, dass zahlreiche menschliche Erkrankungen nachweislich mit Veränderungen in der Zusammensetzung der Mikrobiota korrelieren. Dies wird manchmal als “Dysbiose” bezeichnet. Es ist sehr wahrscheinlich, dass dies bei einigen Erkrankungen, wie z.B. entzündlichen Darmerkrankungen19, 20, zum Fortschreiten der Krankheit beiträgt. Doch solche Veränderungen sind selten konsistent, und die Mikrobiota ist sowohl bei gesunden als auch bei kranken Menschen sehr unterschiedlich.

                    Die Schlussfolgerung, dass ein charakteristisches Pathobiom bei den “meisten” Krankheiten eine Rolle spielt, ist daher ein Sprung, der noch nicht durch Fakten untermauert ist.

                    Zusammenfassung

                    Es ist ein normaler Prozess, dass Mythen entstehen, wenn ein Forschungsgebiet schnell viel Aufmerksamkeit und Zulauf erhält. Beim Mikrobiom mag es auch der Tatsache geschuldet sein, dass viele Erkenntnisse der Forschung an Tieren entstammen. Diese Ergebnisse sind allerdings nicht 1:1 auf den Menschen übertragbar.

                    Die tatsächliche Anzahl der in und auf uns lebenden Mikroorganismen ist weiterhin sehr hoch. Die Bedeutung für unsere Gesundheit ist dabei sehr groß. Dabei sollte der Fokus auch auf der Entschlüsselung dessen liegen, wie der Darm und die dort angesiedelten Bakterien mit uns als Wirt interagieren – und was dieses Ökosystem benötigt, damit wir gesund werden oder bleiben.


                    Referenzen (Englisch)

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