Ursachen und Auslöser der Darmdysbiose – welche Rolle spielt Sauerstoff?
Das Ökosystem unseres Verdauungssystems entscheidet maßgeblich über unsere Darm- und damit allgemeine Gesundheit. Eine entscheidende Rolle spielen die im Verdauungstrakt angesiedelten Mikroorganismen: ihre Zusammensetzung entscheidet über Gleichgewicht bzw. Ungleichgewicht im Darm. In diesem Beitrag beleuchten wir die möglichen Ursachen und Mechanismen einer Dysbiose (Ungleichgewicht) des Darmmikrobioms und die möglichen Folgen für unsere Gesundheit ausführlich.
Dieser Artikel kann ein echter Augenöffner sein – nach der Lektüre wirst du dich noch mehr um dein Mikrobiom kümmern wollen. 😊 Er ist allerdings auch nicht ganz einfach zu lesen, weil das Thema komplex ist und wir alles Wichtige zu dem Thema behandeln wollen.
Hinweis: Wie immer sind die Informationen in unserem Artikel von uns selbst recherchiert und geschrieben – ohne Beteiligung von ChatGPT und Konsorten. Viel Spaß beim Lesen!
Die wichtigsten Erkenntnisse vorab
- Ein Merkmal der Darmdysbiose ist das vermehrte Vorkommen solcher Bakterien, die zu den fakultativen Anaerobiern gehören. Sie überleben und wachsen auch in einem sauerstoffreichen Milieu. In günstigen Bedingungen können sie sich zu Krankheitserreger entwickeln.
- Eine Darmdysbiose wird oft begleitet von einem Verlust der Bakterien Roseburia hominis, Faecalibacterium prausnitzii, der Gattung Butyricicoccus und anderen Bakterien aus der Klasse der Clostridien, welche zur Produktion der kurzkettigen Fettsäure Butyrat maßgeblich beitragen.
- Die verringerte Produktion von Butyrat erhöht den Sauerstoffgehalt in den Epithelzellen des Dickdarms und im Darmlumen. Dadurch wird die Vermehrung von Proteobakterien, die zu den fakultativen Anaerobiern gehören, im Darm begünstigt – ein Teufelskreis setzt sich in Gang.
- Ballaststoffe dienen den uns nützlichen Bakterien im Darm als Nahrungsquelle und sind für unsere Darmgesundheit förderlich. Bei einer schweren Darmdysbiose in Kombination mit Leaky Gut allerdings können Ballaststoffe Symptome verschlimmern. Die Einnahme von Ballaststoffen sollte hier erst im Zuge des Darmaufbaus erfolgen.
- Die Erhöhung der Aktivität sogenannter PPAR-gamma Proteine und die Regulierung des Sauerstoffgehalts im Darm könnten ein Schlüssel zur Umkehrung einer Darmdysbiose sein.
Definition Darmdysbiose
Bevor wir die intestinale Dysbiose (Darmdysbiose) definieren können, bestimmen wir zunächst die Merkmale eines gesunden Darmmikrobioms.
Jeder gesunde Mensch verfügt über ein einzigartiges Darmmikrobiom – ähnlich unserem Fingerabdruck oder der Iris unserer Augen. Eine Verallgemeinerung, was ein gesundes Mikrobiom ausmacht, ist daher nicht ohne weiteres möglich. Wir wissen allerdings zwei Dinge:
- Menschen, die sich ballaststoffreich und vollwertig ernähren und einen gesunden Lebensstil pflegen, weisen mehr von bestimmten Bakterienarten auf als von anderen.
- Diese Menschen besitzen in der Regel auch eine höhere bakterielle Vielfalt in ihrem Darmmikrobiom als Menschen, die sich weniger ballaststoffreich und vollwertig ernähren.
Die Zusammensetzung und Verbreitung dieser Darmbakterien können somit Anhaltspunkte liefern, was ein gesundes Darmmikrobiom ausmacht. Schauen wir uns dies genauer an!
Bakterielle Sicht auf das Mikrobiom
Die vorherrschenden mikrobiellen Arten im Mikrobiom sind Firmicutes, Bacteroidetes, Actinobacteria, Proteobacteria, Fusobacteria und Verrucomicrobia. Firmicutes und Bacteroidetes machen zusammen etwa 90% dieser bakteriellen Zusammensetzung aus.
Innerhalb der Firmicutes-Gruppe wurden bereits über 200 verschiedene Gattungen identifiziert. Wichtige Vertreter sind Lactobacillus, Bacillus, Clostridium, Enterococcus und Ruminococcus. Die Clostridium-Gattungen machen 95% der Firmicutes-Population aus. Der Bacteroidetes-Stamm umfasst hauptsächlich Gattungen wie Bacteroides und Prevotella. Der Stamm der Actinobacteria ist weniger verbreitet und wird hauptsächlich durch die Gattung Bifidobacterium charakterisiert1.
Die Zusammensetzung der bakteriellen Vielfalt allein kann uns allerdings keinen eindeutigen Hinweis auf die Frage bieten, was ein gesundes Mikrobiom ausmacht. Einen weiteren Anhaltspunkt kann ein Blick auf die Funktionen, welche diese Bakterien übernehmen, liefern.
Funktionelle Sicht auf das Mikrobiom
Mit einem Blick auf die mikrobiellen Gene und welche Funktionen diese Gene erfüllen, können wir Vermutungen über die funktionelle Kapazität des Mikrobioms anstellen. Mehrere Mikrobenarten verfügen über ein ähnliches funktionelles Potenzial und verstoffwechseln und/oder produzieren die gleichen Nährstoffe.
Ein gesundes Mikrobiom verfügt über eine hohe bakterielle Vielfalt und eine hohe funktionelle Redundanz.
Mit anderen Worten: Du und ich können eine sehr unterschiedliche Zusammensetzung unserer Mikrobiome aufweisen im Hinblick auf die Bakterienarten, die in unserem Darm leben. Hinsichtlich der Funktionen, die diese Bakterien übernehmen, können sich unsere Mikrobiome aber sehr ähneln. Wir können somit festhalten, dass ein gesundes Mikrobiom sowohl eine hohe bakterielle Vielfältigkeit als auch eine hohe funktionelle Redundanz aufweist bzw. aufweisen sollte.
Der dysbiotische Zustand
In einem dysbiotischen Zustand sind die in einem gesunden Mikrobiom dominierenden Bakterienarten unterrepräsentiert. Gleichzeitig haben sich potenziell pathogene Arten vermehrt. Die diesen Zustand verursachenden Faktoren können dabei unterschiedlicher Natur sein. Das Ergebnis ist, dass die bakterielle Vielfalt im Allgemeinen reduziert ist.
Eine Darmdysbiose kann als Ungleichgewicht der verschiedenen Bakterien im Darm definiert werden.
Die Bakterien in unserem Darm leben in starker Abhängigkeit zueinander. Der Verlust einer Art im Darm bringt oft Veränderungen für andere Arten nach sich. Die Dysbiose wird dadurch schnell zu einem sich selbst verstärkenden Teufelskreis.
Diese Charakteristika einer Dysbiose treten häufig zusammen auf*:
- Verlust der uns nützlichen Bakterien(stämme)
- Überwucherung mit potenziell pathogenen Bakterien(stämmen)
- Gesamtverlust der bakteriellen Vielfalt
(* siehe Quelle #2).
Auf die unterschiedlichen Ursachen einer Dysbiose werden wir in diesem Artikel nicht weiter eingehen. Wir möchten unser Augenmerk auf einen Auslöser und Treiber der Dysbiose richten, da er auch bei der Behandlung der Dysbiose eine entscheidende Rolle spielen kann: Sauerstoff.
Sauerstoff als Treiber einer Darmdysbiose
Unser Körper und unsere körpereigenen Zellen benötigen Sauerstoff zum Überleben. Etwa 43% der Zellen, aus denen wir bestehen, sind menschlichen Ursprungs; die restlichen 57% sind Zellen von Mikroben. Viele Mikroben vertragen Sauerstoff allerdings gar nicht. Die meisten dieser Mikroben besiedeln den Dickdarm, dessen Milieu sich im gesunden Zustand durch Sauerstoffarmut auszeichnet.
Störungen des Darmmilieus können dazu führen, dass die Epithelzellen des Dickdarms (die Kolonozyten) Sauerstoff freisetzen. Der freigesetzte Sauerstoff kann Mikroben schaden, mit der Folge einer Darmdysbiose, eines zellulären Energiemangels und Entzündungen.
Lass’ uns tiefer in die Frage abtauchen, wie Sauerstoff zum Hauptverursacher einer Darmdysbiose werden kann!
Das sauerstoffarme Ökosystem des Dickdarms
Die meisten Bakterien im Dickdarm sind sogenannte obligate Anaerobier. Diese Bakterien können nur in einer Umgebung wachsen und sich vermehren, die weitgehend frei von Sauerstoff ist.
Einige dieser Bakterien werden heute als Probiotika der zweiten Generation angesehen, da sie den Abbau von Ballaststoffen unterstützen und kurzkettige Fettsäuren wie Butyrat produzieren.
In einem gesunden Darm gibt es auch eine kleine Anzahl von fakultativen Anaerobiern. Diese sind in der Lage, in Umgebungen sowohl mit als auch ohne Sauerstoff zu wachsen und sich zu vermehren.
Viele bekannte Krankheitserreger im Darm sind fakultative Anaerobier. Das sauerstoffarme Milieu im Darm und die hohe Präsenz von obligaten Anaerobiern halten sie jedoch im gesunden Zustand in Schach.
Die Energieproduktion der Darmzellen trägt zum sauerstoffarmen Milieu bei
Kurzkettige Fettsäuren dienen unseren Kolonozyten als Hauptenergiequelle. Butyrat liefert den Kolonozyten, die die Darmbarriere des Dickdarms bilden, tatsächlich etwa 70% der von diesen Zellen benötigten Energie3. (95-99% der von unseren Mikroben produzierten kurzkettigen Fettsäuren werden übrigens absorbiert; höchstens 5% werden mit dem Kot ausgeschieden4.)
Nach dem Eintritt in die Kolonozyten durchläuft Butyrat den Prozess der Beta-Oxidation in den Mitochondrien. Dieser Prozess stellt die Energie zur Verfügung, die die Darmzellen nutzen, um letztendlich Wasser aus dem Darmlumen zu absorbieren5. Bei diesem Prozess werden große Mengen an Sauerstoff verbraucht. Indem Kolonozyten den gesamten Sauerstoff auf diese Weise verbrauchen, tragen sie zur Aufrechterhaltung der „physiologischen Hypoxie“ (der physiologischen sauerstoffarmen Umgebung) im Darm bei.
Butyrat liefert den Kolonozyten Energie, mit der diese Sauerstoff verbrauchen und so den Darm zu einer sauerstoffarmen Umgebung machen.
Aufrechterhaltung der intestinalen Barrierefunktion
Forscher der University of Colorado konnten nachweisen, dass diese Verstoffwechselung von Butyrat für die Aufrechterhaltung der physiologischen Hypoxie im Dickdarm notwendig ist6. Sie fanden heraus, dass ein Hypoxie-induzierbarer Faktor (HIF) genanntes Protein als “Sauerstoffsensor” in der Zelle fungiert.
Wenn der Sauerstoffgehalt sinkt, aktiviert HIF eine bestimmte Genexpression (d.h. die Art und Weise, wie eine bestimmte genetische Information exprimiert wird und in Erscheinung tritt) der Darmgene, die für die Aufrechterhaltung der Darmbarriere wichtig ist. Umgekehrt führt eine Erhöhung des Sauerstoffgehalts zu einer Destabilisierung von HIF, und die Expression dieser schützenden Darmgene wird unterbrochen.
Darüber hinaus reguliert HIF die Aktivität von Genen, die für die Produktion von Beta-Defensin-1 (einem antimikrobiellen Peptid), die Muzinproduktion und die Entgiftung von Xenobiotika (z.B. Medikamenten) entscheidend sind7-9. Die Stabilisierung von HIF ist somit ein zentraler Mechanismus für die Aufrechterhaltung der intestinalen Barrierefunktion und hat eine krankheitspräventive Wirkung, insbesondere im Hinblick auf Colitis.
Stabilisierung des Hypoxie-induzierbaren Faktors (HIF) ist zentraler Mechanismus für die Aufrechterhaltung der intestinalen Barrierefunktion.
Antibiotika reduzieren Produktion von Butyrat
Nach diesen Erkenntnissen stellte sich die Forschergruppe die Frage, ob Antibiotika den physiologischen Hypoxiezustand beeinflussen, indem sie die kurzkettigen Fettsäuren produzierenden, obligaten Anaerobier dezimieren. Die Verabreichung eines Breitbandantibiotikums über nur drei Tage führte tatsächlich zu einem drastischen Abfall des Butyratspiegels. Infolgedessen stieg der Sauerstoffgehalt im Darm an und der Zustand der physiologischen Hypoxie verschwand.
Auf zellulärer Ebene wurde der Sauerstoffsensor HIF nicht mehr stabilisiert, die Expression der Darmgene wurde rückläufig, was zu einem Verlust der Darmbarrierefunktion führte – auch bekannt als Leaky Gut (durchlässiger Darm).
Übrigens: Da der Mikrobiota der in der Studie getesteten Mäuse wichtige faserfermentierende obligate Anaerobier fehlten, konnte die Butyratproduktion durch die Gabe von Ballaststoffen nicht gesteigert werden. Wir können daraus schlussfolgern, dass Ballaststoffe daher nicht die beste Option zur Behandlung von Leaky Gut in Kombination mit einer schweren Darmdysbiose sind – zumindest nicht in der Anfangsphase.
Gemeinsame Marker der Darmdysbiose: geringe Häufigkeit von Butyratproduzenten und Zunahme fakultativer Anaerobier
Jüngste Fortschritte in der Sequenzierungstechnologie ermöglichen eine detaillierte Charakterisierung der Darmdysbiose bei einer Vielzahl von Erkrankungen. Obwohl die möglichen Variationen der Darmmikrobiota bei einer Dysbiose enorm sind, treten bestimmte Muster bei verschiedenen Krankheiten auf.
Eine wichtige Beobachtung von Litvak et al. weist auf ein häufiges dysbiotisches Muster hin: die anhaltende Verbreitung fakultativ anaerober Bakterien aus dem Stamm der Proteobacteria10. Proteobakterien, eine der fünf primären Bakteriengruppen im menschlichen Darm, umfassen verschiedene Gattungen wie Escherichia, Shigella, Salmonella, Helicobacter und andere. Diese Gattungen werden häufig als opportunistische Krankheitserreger eingestuft: In einem ausgewogenen mikrobiellen Ökosystem koexistieren diese Bakterien harmlos mit anderen Bakterienarten. Unter für sie günstigen Bedingungen jedoch vermehren sie sich und werden krankheitserregend.
Proteobakterien sind fakultative Anaerobier: wie wir oben bereits beschrieben haben, sind sie in der Lage, in sauerstoffreichen Umgebungen zu überleben. Ein entscheidender Faktor für die Vermehrung von Proteobakterien ist somit Sauerstoff10. Sauerstoff verschafft den Proteobakterien einen entscheidenden Vorteil gegenüber den obligat anaeroben Mikroben, deren Butyrat-produzierenden Gattungen wichtig für unsere Darmgesundheit sind.
Eine Zunahme von Proteobakterien geht in der Regel mit einer Abnahme der Butyrat-produzierenden Bakterien einher, was zwangsläufig zu einer Dysbiose führt.
Eine Zunahme der Proteobakterien geht in der Regel mit einer Abnahme von Butyrat-produzierenden Bakterien einher. Am Ende dieses Prozesses steht eine Dysbiose, die durch einen hohen Anteil an Proteobakterien und einen niedrigen Anteil an Butyratproduzenten gekennzeichnet ist. Dieses mikrobielle Ungleichgewicht wird mit mehreren chronischen Erkrankungen in Verbindung gebracht, darunter chronisch entzündliche Darmerkrankungen (CED), Reizdarmsyndrom, Darmkrebs, Divertikulitis, Histaminintoleranz, Typ-2-Diabetes und Adipositas1.
Bist du noch dabei? Großartig! Eine in diesem Abschnitt beschriebene Dysbiose-Signatur weist auf eine mögliche epitheliale Dysfunktion hin, die wir uns in den folgenden Abschnitten noch ein wenig genauer anschauen wollen.
Proteobakterien-induzierte Dysbiose in Abwesenheit von Antibiotika
Auch ohne Antibiotika können opportunistische Mitglieder des Stammes der Proteobakterien bestimmte Moleküle verwenden, um den Stoffwechsel der Kolonozyten zu „hacken“ und so eine Nährstoffumgebung im Darm zu schaffen, die derjenigen ähnelt, die durch Antibiotika entsteht.
Bestimmte Stämme der Protobakterien Escherichia coli und Salmonella können durch ihre Fähigkeit, sich an Darmepithelzellen anzuheften, eine Kaskade von Entzündungssignalen auslösen. Diese können zu einem unkontrollierten Zellwachstum in den Krypten, den schlauchförmigen Einsenkungen des Dickdarms führen11,12.
Dies führt zu einer erhöhten Sauerstoffverfügbarkeit an der Schleimhautoberfläche des Dickdarms, was die oben beschriebene Ausbreitung von krankheitserregenden Bakterien im Darmlumen ermöglicht.
Auslöser einer Darmdysbiose:
- Antibiotika
- Stress
- Lokale und systemische Infektionen (virale, bakterielle und Pilzinfektionen)
- Krebsbehandlungen
- Ballaststoffarme Ernährung
- Lebensmittel-Emulgatoren
- Süßstoffe
Das dysbiotische Muster mit vermehrten Enterobacteriaceae ohne Antibiotikabehandlung führt ebenso zu einer Verminderung der Butyratproduzenten. Übrigens: In einem gesunden und physiologisch hypoxischen Darm machen Enterobacteriaceae normalerweise weniger als 0,1% der gesamten Mikrobiota aus13.
Verschiebung des Energiestoffwechsels in den Kolonozyten führt zu Darmdysbiose
Wie wir bereits festgehalten haben, führt die Verringerung der Butyratproduzenten zu einer Verringerung des Sauerstoffverbrauchs der Kolonozyten. Der höhere Sauerstoffgehalt löst eine Vermehrung der fakultativen Anaerobier aus.
Den Epithelzellen fehlt nun ihre bevorzugte Energiequelle (Butyrat). Auf der Suche nach neuer Energie beginnen sie, Glukose aus dem Blutstrom zu verstoffwechseln – für den Abbau der Glukose in den Kolonozyten wird kein Sauerstoff benötigt. Durch die Verstoffwechselung der Glucose wird vermehrt Nitrat und Laktat gebildet, die zusammen mit dem vorhandenen Sauerstoff in die Darmschleimhaut und schließlich in das Darmlumen gelangen. Dieser Prozess führt zu einem Teufelskreis der Vermehrung der Proteobakterien.
Der Hauptschalter des Kolonozytenstoffwechsels
Bei einer intestinalen Dysbiose wird der Stoffwechsel vom Verbrennen von Fettsäuren wie Butyrat auf das Verbrennen von Glukose umgestellt. Diese Änderung im Stoffwechsel wird durch ein bestimmtes Gen gesteuert, das für eine Gruppe von Proteinen kodiert, die als PPAR-gamma (peroxisome proliferator-activated receptors) bekannt sind.
Wiederherstellung eines sauerstoffarmen Milieus im Darm könnte Schlüssel zur Umkehrung der intestinalen Dysbiose sein.
Im gesunden Zustand fermentieren die Bakterien in unserem Darm Ballaststoffe und produzieren dabei kurzkettige Fettsäuren wie Butyrat. Butyrat dient wie gesehen als Energiequelle für die Kolonozyten und erhöht auch die Expression und Aktivierung von PPAR-gamma. PPAR-gamma wiederum aktiviert Gene, die die Verwendung von Butyrat als Energiequelle erhöhen14. Wir sprechen von einer positiven Rückkopplungsschleife.
Bei der Dysbiose führt der Mangel an Butyrat-produzierenden Bakterien zu einer Herunterregulierung der Expression und Aktivität von PPAR-gamma. Dadurch erhöhen sich die Sauerstoff- und Nitratwerte im Darm, was wie erwähnt die Vermehrung pathogener Bakterien begünstigt.
Die gezielte Beeinflussung dieses Hauptschalters im Stoffwechsel der Kolonozyten (neben anderen damit verbundenen Strategien) könnte ein Schlüssel zur Wiederherstellung eines sauerstoffarmen Milieus im Darm sein, und damit zur Umkehrung der intestinalen Dysbiose maßgeblich beitragen.
Zusammenfassung
Geschafft! Du bist zum Ende unseres heutigen anspruchsvollen Artikels gelangt. Wir haben den Sauerstoffgehalt im Darm als einen der Hauptfaktoren der Darmdysbiose identifiziert. Übrigens: Wissenschaftliche Erkenntnisse zeigen, dass Antibiotika, eine ballaststoffarme Ernährung, Magen-Darm-Infektionen, Stress sowie der Verzehr großer Mengen stark verarbeiteter Lebensmittel die Entwicklung einer Darmdysbiose begünstigen. All dies kann den Sauerstoffgehalt im Darm erhöhen und somit die in diesem Artikel beschriebenen, die Darmdysbiose auslösenden Mechanismen begünstigen.
Wie geht es weiter? In einem Folgeartikel werden wir wissenschaftlich fundierte Ansätze zur Umkehrung der Darmdysbiose vorstellen. Diese beruhen auf der Wiederherstellung der physiologischen Hypoxie, d.h. einer sauerstoffarmen Umgebung in den Epithelzellen des distalen Darms.
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